Transparenz und Struktur

Noch bis 17.6.2012: Stefan Thiel und Martin Spengler in der Städtischen Galerie Remscheid

von Frank Becker

Zweige über dem Wasser - © Stefan Thiel
Transparenz und Struktur
 
Doppel-Ausstellung:
Stefan Thiel / Martin Spengler
Erstaunen und Vergnügen
begegnen sich.

Die beiden Künstler, deren Arbeiten noch bis 17. Juni in der Galerie der Stadt Remscheid zu sehen sind, haben, obwohl aus konzeptionell gänzlich unterschiedlichen Richtungen kommend, geradezu verblüffende Gemeinsamkeiten. Beide, der Berliner Stefan Thiel und der Kölner Martin Spengler arbeiten mit chirurgischer Präzision – mit dem Skalpell. Und noch etwas ist beiden gemeinsam: die Stille ihrer Sujets.
 
Das erstaunliche Gegenüber von zweidimensionalem Papierschnitt (Thiel) und skulptural dreidimensionalen Arbeiten aus verleimten Wellpappe-Schichten (Spengler) sollte sich kein Kunstfreund entgehen lassen. Es ist, das kann hier versprochen werden, eine Doppelausstellung welche bei ihren Besuchern für Aaahs und Ooohs sorgen wird, die filigranen Arbeiten beider Künstler versetzen den Betrachter in pures Entzücken – so jedenfalls ist es den bei der Präsentation den Pressevertretern ergangen.

Kroko-Tasche - © Stefan Thiel
Erstaunen und Vergnügen gehen beim Genuß von Stefan Thiels (*1965) thematisch vielfältigen Arbeiten Hand in Hand. Die Film-Stills nach dem Cinéma noir der 50er bis 70er Jahre von Douglas Sirk, Alfred Hitchcock, Jean-Luc Godard und Volker Schlöndorff faszinieren mit ihrer eigentümlichen Schweigsamkeit. Dekorative Modefotografie, so raffiniert in Papierschnitt umgesetzt, daß sie wie scharf konturierte Fotos wirken, die Illusion einer durch einen Zweig ausgelösten Wasserbewegung, die laszive Erotik von Netzstrümpfen an Frauenbeinen – Stefan Thiel macht alles das fühlbar. Sein 180 x 180 cm messender „Vulkanausbruch“ überwältigt durch die Gewalt der Aschewolke, die aus Papier geschnitten realiter federleicht und fragil ist.


Martin Spengler, "Kathedrale" - 120 x 200 x 20 cm - © Martin Spengler
 
Steht man dann vor den beeindruckenden Türmen der Basilika „La Sagrada Familia“ von Antoni Gaudi und sieht an der Wand gegenüber die papierne Fassade eines Wohnsilos, ist die Verbindung zu Martin Spengler (*1974) geknüpft. Zu Spenglers ganz großen – das bitte wörtlich nehmen – Themen gehören die Steinmetzarbeiten der gotischen Fassaden des Kölner Doms, die er in seinen teils gestreckten und verfremdeten „Kathedralen“ darstellt und die deprimierenden Fronten gigantischer entseelter Wohnsilos, wie man sie aus Berlin-Marzahn, dem Märkischen Viertel oder den Pariser Banlieues kennt.
In Spenglers dreidimensional aus bis zu 30 cm dicken, verleimten Wellpappe-Schichten geschnittene Panoramen kann man sich – auch hier bitte wörtlich nehmen – vertiefen. Atemberaubend spannt sich als universelles Beispiel für Stadtarchitektur ein nahezu unglaubliches Panorama Athens über eine Fläche von 220 x 300 cm. Nach einem Foto-Ausschnitt und einer originalgroßen Vorzeichnung bis ins kleinste Detail eines Kammerfensters, einer Dachterrasse, eines Straßenbaums perspektivisch in die Tiefe des hier 28 cm starken Materials geschnitzt, erinnert es trotz seiner Größe in seiner Art an die berühmten zarten chinesischen Kork-Dioramen.


Martin Spengler, "Athen"  - 220 x 300 x 30 cm - © Martin Spengler
 
Kräftezehrend, ja schweißtreibend sei diese körperlich schwere Arbeit, die er mit einem selbstgefertigten skalpellähnlichen Messer ausführt, erklärt Martin Spengler. Bis zu 60 kg wiegt ein großformatiges Bild, das er senkrecht von unten nach oben aus dem Block herausarbeitet und das schließlich trotz seiner Einfarbigkeit beeindruckend real, ja er-greifbar wirkt. Menschen erscheinen allenfalls als Textur, wie in seinen „Schlachtenbildern“ einer Fantribüne im Fußballstadion.  
 
Weitere Informationen: www.martin-spengler.de und  www.remscheid.de