Eine Entdeckung im Zigeunerjazz

Django Deluxe - „Wilhelmsburg“

von Frank Becker

Quartett, notabene
 
Leute, laßt Euch nicht vom vierschrötigen, sonnenbebrillten Macho-Gehabe im Booklet dieser vier Burschen aus Hamburg-Wilhelmsburg täuschen. Auch nicht von ihrem vorgeblichen proletarischen Hauptgewerbe, dem Schrotthandel. Hinter der aufgesetzt markigen Kulisse versteckt sich eine der sensibelsten Zigeuner-Jazz-Bands der letzten Jahre: Django Deluxe. Na klar, Django kommt im Zusammenhang mit Zigeunerjazz als Aushängeschild immer gut – wer würde sich nicht mit einem solchen Namen schmücken wollen. Berechtigt ist es nicht in jedem Fall – hier aber würde auch der große Ahnherr aller Gipsy-Jazzer einen artigen Kratzfuß machen.
 
Das täte er wohl allein schon wegen des anrührendsten Openers, den man seit langem auf einer Platte des temperamentvollen Genres gehört hat, eines der schönsten Stücke Django Reinhardts: „Bolero“. Das geht runter wie Öl und tut der Seele wohl. Man hört: die Jungs haben ihre Schulaufgaben gemacht und dabei nicht nur auf Django gehört, sondern auch genau aufgepaßt, wie es weiland Les Paul und Barney Kessel machten. Gespickt mit Paradenummern und Delikatessen erweist sich das Debüt des Quartetts als Ohrenschmaus, der durchaus auch ohne die dazu eingeladenen Gäste ausgekommen wäre: Fiete Felsch am Saxophon und Simon Grey am Klavier. Nicht daß die beiden schlecht wären, beileibe nicht, doch wirken sie im ansonsten harmonischen akustischen Gesamtbild als Fremdkörper. Wie gut Standards wie das coole „A Night In Tunesia“, das verträumte „Clair de lune“, das temporeiche „So What“ und besonders „Misty“ mit sanftem Swing in der klassischen Besetzung mit Solo- und Rhythmusgitarre sowie Kontrabaß funktionieren, ist zu hören und verdient jedes Lob. Klavier und Saxophon haben da einfach nichts verloren.
 
Wie auch immer, das mußte zwar angemerkt werden, ist jedoch kein Grund, das Album nicht zu hören, denn auch „Polka Dots And Moonbeams“, „There Will Never Be Another You“ und das Duo Giovanni Weiss/Simon Grey in „My One And Only You“ sind auf ihre Art hörenswert. Django Deluxe sind eine Entdeckung, die in den Fußstapfen des Namensgebers und seiner Gitarren-Kollegen hoffentlich bald nachlegt, im Quartett, notabene. 
 
Django Deluxe - Wilhelmsburg
© 2012 edel Content Records
Giovanni Weiss (Solo-Gitarre) - Kohe Reinhardt (Solo-Gitarre) - Robert Weiss (Rhythmusgitarre) -  Jeffrey Weiss (Kontrabaß)
Gäste:
Simon Grey (Klavier) - Fiete Felsch (Saxophon)
 
Titel:
1 Boléro - 2 Them there eyes - 3 There will never be another you - 4 Claire de lune - 5 Misty - 6 My one and only love - 7 Days like these - 8 So what - 9 Polkadots & Moonbeams  - 10 A night in Tunesia - 11 Festival 48
Gesamtzeit: 51:28