Die Operette lebt! (… und der Chor tanzt – o je!)

Wuppertal/Remscheid: Eduard Künnekes „Glückliche Reise“

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Die Operette lebt!
(… und der Chor tanzt – o je!)
 
Eduard Künnekes „Glückliche Reise“
riß das Remscheider Publikum mit
 
 
Inszenierung: Johannes Weigand – Musikalische Leitung: Eva Caspari – Bühne und Kostüme: Markus Pysall – Choreografie: Götz Hellriegel – Fotos: Uwe Stratmann
Besetzung: Monika Brink (Annika Boos) - Lona Vonderhoff (Elena Fink) – Stefan Schwarzenberg (Olaf Haye) – Robert von Hartenau (Boris Leisenheimer) – Homann (Gregor Henze) – Brangersen/Hübner (Stephan Ullrich) - Paul (Allan van Kluyve) - Käte (Katharina Greiß) - Ludmilla (Annemarie Tributh)
Bergische Symphoniker, Damenchor und Statisterie der Wuppertaler Bühnen

 
Mit einer gelungenen Operetteninszenierung aus der Hand ihres Opernintendanten Johannes Weigand zeigten die Wuppertaler Bühnen in Sachen Bergische Theater-Kooperation am Mittwochabend im Remscheider Teo Otto Theater Flagge. Das wurde nicht zuletzt auch durch die starken Bekenntnisse von Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung und des Remscheider Kulturdezernenten Dr. Christian Henkelmann zu eben dieser Zusammenarbeit im Rahmen der Premierenfeier unterstrichen. Beschworen wurde auch mit Nachdruck der Bestand der Bergischen Symphoniker, die unter Eva Caspari das Wuppertaler Ensemble glänzend begleiteten. Die Remscheider Oberbürgermeisterin glänzte ebenfalls – allerdings lediglich durch Abwesenheit.
 
Für Verstand, Ohr und Auge

Erfreulich gut besetzt zeigte sich ansonsten der stilvolle 50er-Jahre-Saal, als sich der Vorhang zu
 
  v.l.: Henze, Ullrich, Greiß, van Kluyve, Tributh - Foto © Uwe Stratmann
Eduard Künnekes Operette „Glückliche Reise“ aus dem Jahr 1932 öffnete, und schnell war das Publikum im Bann der mit Ohrwürmern („Drüben in der Heimat, da blüht ein Rosengarten“, „Das Leben ist ein Karussell“, „Warum? Weshalb? Wieso?“, „Nacht muß es sein“, „Am Amazonas“, „Liebe kennt keine Grenzen“, „Schatz, der erste Satz“, „Glückliche Reise“) gespickten liebenswerten Handlung. Paßgenau mit in die Inszenierung war Nico Dostals „Man muß mal ab und zu verreisen“ aus „Clivia“ übernommen. Hier zeigte Gregor Henze sich in Bestform - dazu aber später mehr. Durch heute historische Schlagworte wie „Notverordnung“, „Heil“ und „Sieg“ und den von Künneke beinahe prophetisch vorausgesehenen Fluchtort Argentinien für NS-Täter nach 1945 dabei nicht ganz unpolitisch, sprach der schwungvolle Stoff Sentiment und Verstand an. Die eingängige Musik, zu der die Symphoniker nach kurzer Aufwärmphase und Deckelung des Schlagzeugs den Ton der „Roaring Twenties“ perfekt trafen (wer saß wohl am Klavier?), nahm im betörend schönen Art-Deco-Bühnen- und Kostümbild von Markus Pysall schwungvoll mit. Das Reisebüro Homann und die Kasino-Bar am Wannsee boten neben der Garderobe für Annika Boos auch einen Genuß fürs Auge.
 
Operetten-Klischees erfüllt


Boris Leisenheimer, Elena Fink - Foto © Uwe Stratmann
Es geht, so gehört sich das in einer Operette, um Liebeswirren, turbulente Verwechslungen  - mit ruhig auch ein wenig Klamauk (Johnny Weissmuellers Tarzan-Schrei) und Kitsch (Blumengirlanden tragende teutsche Mädel im argentinischen Dschungel) - und am Ende um glückliche Paare. Die finden sich in Gestalt der Reisebüroangestellten Lona Vonderhoff (Elena Fink, Sopran) und des nach dem 1. Weltkrieg nach Argentinien ausgewanderten Ex-Offiziers von Hartenau (Boris Leisenheimer, Tenor) sowie der Tippse Monika Brink (Annika Boos, Sopran) und Hartenaus Freund Schwarzenberg (Olaf Haye, Bariton). Klischees erfüllt. Daß Argentinien nichts mit dem Amazonas zu tun hat, sei Künneke am Rande verziehen. Schlager verlangen nicht nach geographischer Genauigkeit. Durch eine von Monika unter zwei Namen geführte Fern-Korrespondenz haben sie sich kennengelernt, nun wollen die Jungs ihre „Bräute“ in Berlin überraschen. Die Überraschung gelingt, denn es ist auf beiden Seiten alles ein wenig anders als es scheint.
 
Ein schönes Paar und ein veritabler Star

Olaf Haye mit reifem doch leichtem, strahlendem Bariton und Annika Boos mit Soubretten-tauglichem
 
 Olaf Haye, Annika Boos - Foto © Uwe Stratmann
feinem Sopran, laut Buch eigentlich das nachgeordnete Buffo-Paar, rückten durch die stimmliche und darstellerische Umsetzung wie auch durch ihre Tanzeinlagen schnell und sympathisch in die erste Reihe. Beim Paar Fink/Leisenheimer konnte nur die glänzende Elena Fink überzeugen, was sich auch durch ihren Szenen-Applaus bewies. Leisenheimers Tenor hingegen wirkte unsicher und abgesungen, was einzig in Ensemblenummern subsummiert werden konnte. Ihn im Eingangsbild als schweren Alkoholiker zu inszenieren war sicher auch nicht besonders geschickt und kaum geeignet, ihn als Sympathieträger aufzubauen.Sympathisch hingegen Stephan Ullrich in seiner Doppelrolle als Kapitän Brangersen und Regierungsrat Hübner.
Heimlicher Star des Abends aber wurde der Schauspieler Gregor Henze in der Charakter-Rolle des Reisebürobesitzers Homann, als der er komödiantisch brillierte, ja sogar sanglich Beachtliches aufbot („Man muß mal ab und zu verreisen“, „Das Leben ist ein Karussell“) und sich mit der minutenlangen stummen Suche nach dem Feuerzeug als Komiker von Rang empfahl. Die burleske, fast artistische Nummer „Schatz, der erste Satz“, mit Henze, Haye, Boos und Keilerei gehörte zum Besten des Abends.
 
Theater in trockenen Tüchern?

Jubelnder Applaus für alle Beteiligten und mehr Vorhänge, als die Applausordnung vorsah, lohnten die Künstler, doch eine vom begeisterten Publikum stürmisch geforderte Reprise des Titel-Marsch-Liedes „Glückliche Reise“ gab es bedauerlicherweise nicht. Daß bei der Premierenfeier Johannes Weigand minutenlang applaudiert wurde, ist sowohl auch als Sympathiekundgebung für den langfristig durch Toshiyuki Kamioka abzulösenden Opern-Intendanten wie für die bedrohte Schauspielsparte Wuppertals zu betrachten. Für letztere fanden Geschäftsführer Enno Schaarwächter und OB Peter Jung beruhigende Worte – man gebe eine Bestandsgarantie für das (mit einschneidend verkleinertem Ensemble, Anm. d. Red.) geplante „Kleine Haus“, es sei durch Sponsoren aus Wirtschaft, Banken und Stiftungen „in trockenen Tüchern“.


„Schatz, der erste Satz“ - v.l.: Gregor Henze, Annika Boos, Olaf Haye - Foto © Uwe Stratmann
 
Nächste Vorstellung: morgen, 3. November 2012, 19.30 h im Konzerthaus Solingen
Premiere in Wuppertal: Sonntag, 18. November 2012, 18.00 h im Opernhaus
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de/