Musik im Auto

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Musik im Auto
 
Vor mir eine herrliche freie Landstraße, neben mir die schönste Frau der Welt, unter mir das neue Auto – dann die CD einschieben und meine Lieblingsmusik hören – wunderbar, oder?! Ich finde: das ist Luxus der angenehmsten Art. Ob Musik im Auto läuft, weil ich ohne meinen Schubert nicht leben kann oder ob sie läuft, weil ich bei offenem Fenster den flanierenden Mädchen zeigen will: „Hey, Schöne, hier ist einer, der weiß, was Leben heißt. Nicht einzusteigen hieße, DIE Chance zu verpassen – zumindest für heute Abend!“ – ohne Musik im Auto können wir uns das Auto nicht mehr vorstellen. Das war aber nicht immer so. Dschingis Khan hörte auf seinen Gruppenreisen höchstens das Pferdegetrappel seiner Mongolen – vielleicht kam es ihm wie Musik vor, man weiß es nicht. Goethe hätte sicher gerne auf seinen langen Reisen mit der Kutsche schon mal was Musik gehört – was er hörte, war aber nur das Quietschen der Räder und die Flüche des Kutschers. Das alles war bestimmt nicht das pralle Vergnügen. Dagegen leben wir heute in goldenen Zeiten: Limousinen, Kaltgetränke und Musik – und das alles im Auto! Höchste Zeit also, sich einmal ein bißchen genauer damit zu beschäftigen.
 
Wir wissen, was man wozu trägt, wir wissen, was man wozu trinkt, wir wissen sogar, was man wozu sagt, das haben uns die Couturiers, die Gourmets und die Lifestyle-Berater alles gesagt, nur zu einem Thema haben sie sich bisher ausgeschwiegen: welche Musik paßt zu welchem Wagen und wie kann man sie nutzen?
Wobei wir jetzt von richtigen Autos und richtiger Musik sprechen, denn im Pop- und Rock-Bereich haben sich die Dinge schon entschieden: alles was tiefergelegt ist, hiphopt in wummerndem bum – bum – bum – bum (und der Fahrer ergänzt die drums, indem er rhythmisch „fuffzehn – fuffzehn – fuffzehn – fuffzehn“ vor sich hin singt), alle Trucker nashvillen im Country-Stil (der Klassiker ist da immer noch „Six days on the road“), alle Loddel-Schleudern haben auf Schlager und Peter Maffay abonniert und Elvis feiert in einer nicht genannt werden wollenden Marke sein absolutes Comeback. So weit, so gut, nur: das alles bitte nicht in der gehobenen Klasse. Hier hört man natürlich Klassik, vielleicht in der heure bleu schon mal Jazz, aber dann vom Coolsten und Feinsten. Wie sieht es also mit der Klassik aus?
Ich habe mich in meinem ‚etwas anderen‘ Konzertführer „Andante spumante“ der Mühe unterzogen, die wichtigsten Werke unserer großen Komponisten auf ihre ‚Auto-Kompatibilität‘ hin zu untersuchen und kann dazu folgendes sagen:
Man muß da zwischen Symphonie und Konzert unterscheiden und bei diesen zwischen Klavier- und Violinkonzerten. Violinkonzerte sind unabhängig vom Autotyp nutzbar, denn – die legt man auf, wenn man eine Frau verführen möchte. Schön. Nur welches Konzert paßt zu welcher Schönen? Bitte:
Ludwig van Beethovens Violinkonzert spricht ohne Zweifel die elegante Dame, die scheinbar Unnahbare an: spätestens beim zweiten Satz werden Sie sie da haben, wo Sie sie haben wollen.
Dagegen spricht das Konzert von Johannes Brahms eher die Temperamentvolle an – ein Schuß Ungarn ist da hilfreich (dritten Satz auflegen und sie wird zur Csárdásfürstin), während das wunderbare Mendelssohn-Konzert mehr was für die Ehefrau ist (die man ja auch schon mal verführen sollte!): beim ersten Satz kann man entspannt über die Kinder plaudern, beim zweiten riskiert man schon mal ein Küßchen, der dritte (weil er so schön kurz ist!) dient der Begleitung des Unvermeidlichen und der vierte Satz zeigt, daß es toll war. Sollte sie aber danach noch den Bolero von Ravel hören wollen, kann einem immer noch ein Termin einfallen, den man beinahe vergessen hätte. Mit dem Konzert von Jean Sibelius schafft man die etwas abgehobene Kulturamtsleiterin und mit dem schönen von Alban Berg die blasse 18jährige – deren Gedichte man allerdings hinterher lesen muß.
 
Klavierkonzerte sind hervorragend für Off-Roads der obersten Klasse geeignet: Niemand würde so was in so einem Auto vermuten und man kann selbst in der Kalahari damit dokumentieren, daß es neben der Abenteuerlust auch noch Kultur gibt – falls man nicht gerade eine Crossover-Version von Sweetie Clayderman erwischt hat, dann nimmt sogar das Nashorn Reißaus!
Bei Symphonien ist das eine andere Geschichte. Da kann man schon sagen, daß bestimmte Komponisten auch zu bestimmten Marken gehören.
Mozart ist Cabrio: fährt man darin durchs Salzkammergut, paßt nichts mehr als unser Wolferl und falls es schnürlregnet, was es ja immer tut, machts einem nix aus!
Johann Sebastian Bachs Brandenburgische Konzerte verlangen einen großen Hubraum und ein prächtiges Inneres: Jaguar, Bentley oder der legendäre V8 von BMW. Nur da entfalten Musik und Auto den Gesamteindruck, der einen selbst – und andere – überwältigt. Wenn das G-Dur-Konzert dann noch bei der Fahrt durch südfranzösische (oder durch mecklenburg-vorpommersche) Alleen im Frühjahr erklingt – keine Fragen mehr! Aber bitte hören Sie die Brandenburgischen niemals in einem Polo oder einem Smart oder ähnlichen Einkaufswägelchen: sie wirken da plötzlich etwas billig, etwa so, wie der mitgebrachte hinreißende Rote aus der Provence zu Hause in Quickborn dann doch des Feuers entbehrt, das er in südlicher Sonne hatte.
 
Ein spezieller Fall ist Ludwig van Beethoven. Seine Symphonien, z.B. die Fünfte, brauchen schon die ganz dicken Wagen. Ehrlich gesagt: selbst die langen nicht. Die Fünfte oder Neunte sind einfach zu groß dafür und lassen selbst einen Rolls etwas lächerlich erscheinen. Das sind Werke, die bestens für alles geeignet sind, was der Erdbau-Geräte-Führer zu seinem Fuhrpark zählt: Bulldozer, Dampframme oder Abrißbirne! Und dann das Ta – ta – ta – taaaaaa aufgelegt, na, das ist aber eine Wucht von Vergnügen!
Rossini – und da insbesondere seine Ouvertüren – sind für alle schweren Limousinen ab 2000 kg aufwärts der Renner: Sie glauben nicht, wie leichtfüßig auch so ein Dinosaurier laufen kann, wenn „Die diebische Elster“ erklingt!
Den etwas konservativen Geschmack sprechen Komponisten wie Max Bruch an. Sein Violinkonzert (ohnehin quasi der einzige Hit, den Bruch geschrieben hat) ist bestens für die Kutsche für den höheren Dienst geeignet: gäbe es den Audi 100 noch, das wär’s. Bismarck-Musik sozusagen und ein Auto, in dem der Hut zum Fahren mitgeliefert wurde: wunderbar!
Franz Liszt hingegen gehört zum Waffenarsenal des Freundes der klassischen Musik: Man kann sein erstes Klavierkonzert als Antwort auf die tiefergelegten Techno-Freaks und deren viertaktiges bumm - bumm - bumm - bumm verwenden, wozu man allerdings den eigenen Wagen mit einer „Boah-die-haut-dir-glatt-die-Ohren-weg"-Anlage vollpacken sollte. Der Effekt auf dem Gesicht des Techno-Freaks, wenn Sviatoslav Richter in die Tasten haut, macht die Mühe, einen Satz Autobatterien im Anhänger mitführen zu müssen, glatt wett.
Daß die Symphonien von Antonin Dvorák natürlich ausschließlich in einem Auto gespielt werden dürfen, das es leider nicht mehr gibt – im legendären Tatraplan (was für ein Auto!), daß man den Bolero NUR im DS 21 von Citroen vollendet hören konnte und daß man für Sibelius einen stämmigen Volvo braucht, erwähne ich nur noch am Rande dieses ohnehin nur skizzenhaften Aufsatzes.
 
Eines ist aber klar: hier ist für Musikdesigner im Autobau (falls es diesen Beruf noch nicht gibt sollte er sofort geschaffen werden) und bei den Musikfirmen noch ein großes Aufgabengebiet. Luxus ist nicht etwa alles haben, Luxus ist Nicht-verzichten-wollen – und wenn es auf zarteste Schubertklänge im lautesten Verkehrsgewühl ist, wenn obendrein noch das Handy klingelt und man zur Unvollendeten Termine ausmachen muß. Dann ist alles erreicht, was Musik will: Erhöhung und Verschönerung des Alltags. Oder etwa nicht?
 
 
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
 
 

©  2012 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker