Dramatik im Gerichtssaal

Ferdinand von Schirach: Der Fall Collini

von Jürgen Kasten

Dramatik im Gerichtssaal
 
Ferdinand von Schirach: Der Fall Collini
 
 
Später würden sich alle daran erinnern,...“. Es ist der erste Halbsatz in der soeben erschienenen Taschenbuchausgabe des Bestsellers „Der Fall Collini“. Der Berliner Strafverteidiger Ferdinand von Schirach hat ihn geschrieben. Der Autor wird hoch gelobt, ist inzwischen international ein Star der Literaturszene und in mehr als dreißig Ländern übersetzt worden. Seine Fallstudien „Verbrechen“ und „Schuld“ wurden bereits in den Musenblättern vorgestellt. „Der Fall Collini“ ist sein erster Roman, der als Hardcover 2011 auf den Markt kam und wie seine Sachbücher sofort in die Bestsellerlisten einzog. Ich hatte bisher nie etwas von ihm gelesen. Jetzt fesselte mich gleich dieser erste Satz, machte mich neugierig.
„In ein paar Tagen würde es wärmer werden“, lautet der letzte Satz. Erst nach dreieinhalb Stunden legte ich das Buch wieder aus den Händen und war beeindruckt.
 
Fabrizio Collini war Werkzeugmeister bei Daimler. Seit 34 Jahren lebt er in Deutschland. Nun ist er Rentner, fährt mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock des Adlon in Berlin, tötet in einer Suite den über achtzigjährigen Großindustriellen Hans Meyer mit vier Schüssen in den Kopf, zertritt ihm anschließend den Schädel und wartet dann in der Hotelhalle auf die Polizei.
Caspar Leinen wird zu seinem Pflichtverteidiger bestellt. Es ist sein erster Prozeß vor einem Schwurgericht. Der Fall ist klar, Collini sagt „ich war´s“, lebenslänglich scheint unumgänglich. Und doch ist nichts geklärt. Das Motiv fehlt. Collini äußert sich nicht weiter.
 
Ferdinand von Schirach hat eine brillante Sprache, schreibt klar, in kurzen Sätzen, und seine präzisen Handlungsabläufe lassen keine Frage offen. Seine Figuren und Charaktere erscheinen plastisch vor den Augen des Lesers. Orte und Räume werden knapp, aber eindrücklich dargestellt. Dramaturgisch dicht entwickeln sich Familienschicksale über einen Zeitraum von sechzig Jahren und finden während der Frage nach Schuld und Sühne im Gerichtssaal ihr dramatisches Ende. Die Grenze zwischen Täter und Opfer verwischt sich. Wer will entscheiden, wie sie einzuordnen ist?
Ein großer Roman, emotional und aufrüttelnd. Unbedingt lesen.
 
Ferdinand von Schirach – „Der Fall Collini“
© 2011/2013 Piper Verlag GmbH, München, Broschur, 208 Seiten, ungekürzte Taschenbuchausgabe - ISBN: 978-3-492-30146-6
  8,99 (D), € 9,30 (A), Sfr 13,90 (CH)
 
Weitere Informationen: www.piper.de