Vademecum für Wagnerfreunde

Führer durch Richard Wagners Tondramen von Max Chop (M. Charles)

von Peter Bilsing

Vademecum für Wagnerfreunde
 
Führer durch Richard Wagners Tondramen
von Max Chop
 
Zu berichten ist über ein Werk zu Wagners Werken, in welchem der Autor Max Chop (M. Charles) „eine sachkundige und zuverlässige Führung“ bieten möchte. Der Schreiber wendet sich an die „edler Veranlagten“, jene Spezies von Homo Sapiens, die „das Bedürfnis verspüren, sich an der Kunst zu bilden“ - im Gegensatz zu denjenigen, für die Musik nur einen „angenehmen Zeitvertreib“ bedeutet. Erstere haben also „das Anrecht auf einen Führer“, auf seinen Führer, wie der Auto im Vorwort betont.
Weiter: „Der Gedanke eines Leitfadens ist nicht neu und die Wagner-Literatur gerade in dieser Hinsicht bereits - Dank den treuen Vorkämpfern für die hohe Sache und der zunehmenden Volkstümlichkeit Wagnerscher Muse! - eine recht umfangreiche.“
 
Und so formuliert er sein Ziel, seinen Zweck folgendermaßen:
„Möchte das Buch in dem die schaffensfreudige Arbeit vieler Jahre und die volle Überzeugung von der gewaltigen Größe des dichterischen Stoffes niedergelegt sind, seinen Zweck erfüllen: Neue, begeisterte Freunde um das Banner des Bayreuther Meisters zu schaaren und die Gesinnungen der Genossen zu festigen! Wagner war der deutscheste aller Tondichter. Daraus erwächst dem Deutschen die heilige Pflicht, das köstliche Vermächtnis zu würdigen, den Manen seines Schöpfers zu huldigen.“
 
Sehr umfangreich werden nun alle Werke Wagners welche in Bayreuth gespielt werden, erläutert. Die Beiträge zur Entstehungsgeschichte („Vorgeschichte der Oper“) sind fundiert, gut recherchiert und historisch sehr korrekt und zeitauthentisch zusammengestellt, aber auch mit immer einem sehr persönlichen Kommentar versehen; Beispiele:
 
Fliegenden Holländer
„Eine Großtat war geschehen. Wagner hatte seiner Nation gezeigt, daß der deutsche nicht bei fremdländischen Komponisten in die Schule zu gehen braucht, daß es eine nationale Kunst gibt. Er war der Prinz gewesen, welcher mit seinem Kusse das schlummernder Dornröschen aus langem Schlage wieder zu neuem Leben erweckt hatte. Die Bedeutung solch nationaler Großtat erkannten die besonneneren Elemente der damaligen literarischen Welt auch an.“
 
Tannhäuser
Hier nimmt der Autor im Vorwort auf die Demonstrationen und Unruhen in Frankreich Bezug, indem er schreibt „Wäre dem Deutschen nicht die Humanität und der gänzliche Mangel an Vergeltungssucht von der Natur mit auf den Lebensweg gegeben, wir würden eine Reinigung unserer mit französischer Marzipankost überreich versehenen Konzertprogramme von den international gesinnten Deutschen Kapellmeistern erzwingen.“
 
Lohengrin
Von diesem Werk hält der Schreiber intellektuell nicht soviel, was er umfangreich begründet -und so endet er: „Weil aber der große Kreis des kunstverehrenden Volkes mit einem gewissen Schauer der Neugierde in solche Wundergefilde hineinschaut, weil er den Märchentraum gern weiterträumt und durch nichts, selbst nicht durch die Töne, in dieser Entrücktheit einen greifbaren Punkt gewinnen will, so ist die Oper einer der volkstümlichsten geworden und zu einem Liebling des großen Publikums.“
 
Meistersinger
„Ja, die Zeiten ändern sich, und wir uns mit ihnen.“
 
Der Ring des Nibelungen
„Damit war die schwerste Aufgabe als gelungen zu betrachten, der Boden der Reichs-Haupststadt für das größte Werk Wagners erobert. Die Opposition am Opern-Haus wurde allmählich durch die kraftvolle Gegenwehr des Publikums gebrochen, und heute feiert der Ring da seine größten Triumphe, wo man den meister am längsten verfolgt hat.“
 
Parsifal
„Das Überbieten dieses unvergänglichen Meister-Werkes ist für uns, und alle die staunend zu ihm emporschauen, nicht vorstellbar.“
 
Die musikalischen Erläuterungen zu jeder Oper sind vorbildlich und umfangreich, wozu der Autor begründend im Vorwort schreibt: „Ich füge dem Erklärenden die Motivbeispiele nicht in jener üblichen, aber darum keineswegs empfehleswerthen, einstimmigen Dürftigkeit, sondern mit den notwendigen Begleitharmonien bei, sodaß ein auch nur einigermaßen gewandter Klavierspieler den richtigen Eindruck des Motivs erhält und seinen Zusammenhang mit dem Ganzen nicht aus dem Auge verliert.“
 
Fazit. Ein ausgezeichnetes und mit viel Mühe geschriebenes Wagner-Kompendium. Die Zitate folgen dem Original-Text.
 
 
Max Chop: „Vademecum für Wagnerfreunde - Führer durch Richard Wagners Tondramen“ - mit über 400 Notenbeispielen
1893 Druck und Verlag der Rossberg´schen Hof-Buchhandlung, Leipzig, 494 Seiten, goldgeprägter Luxuseinband, Erstausgabe