Über die Dummheit der Verkehrspolitik

Bernd Franco Hoffmann - "Stillgelegte Bahnstrecken im Bergischen Land"

von Frank Becker

Über die Dummheit
der Verkehrspolitik

Bergische Bahnstrecken
und ihre Stillegung
 
Güter gehören auf die Bahn!“ war noch vor etwa 40 Jahren oder gar früher der Slogan der Deutschen Bundesbahn, der auf der Überzeugung der (Verkehrs-)Politik und des damals durchaus effektiv staatlichen Bahnunternehmens fußte. Nicht nur erreichte die Bahn über ihr seit dem Ende des 19. Jahrhunderts noch bis in die 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhundert überwiegend gut ausgebautes Streckennetz zum Gütertransport zuverlässig auch abgelegene, straßenverkehrsmäßig nicht ausreichend angebundene Gegenden und Orte, auch der individuelle Personenverkehr verband unverzichtbar die Zentren mit dem infrastrukturschwachen Land, bzw. entlastete dort und in den Städten (siehe „Samba“-Trasse Wuppertal) über seine eigenen Trassen deutlich das dem anwachsenden Schwerlastverkehr nicht gewachsene Straßennetz.

Der Buchautor Bernd Franco Hoffmann hat sich am Beispiel des Bergischen Landes mit dem Kardinalfehler der späteren Verkehrspolitik beschäftigt, vorgeblich „unwirtschaftliche“ Strecken stillzulegen, was ab den 50er Jahren sukzessive, in den 70er bis 90er Jahren schließlich massiv geschah. Ich erinnere mich noch an mein eigenes Kopfschütteln, als ich von der Stillegung der Strecke Lennep-Hückeswagen-Wipperfürth-Marienheide erfuhr, die über viele Jahre mein Schulweg als „Fahrschüler“ gewesen war. Hindernisfreier und schneller hatte man das Bergische Land nicht durcheilen können. Ähnlich ging es mir später als Wuppertaler Neubürger, als hier erst die sogenannte „Samba“-Trasse durch den Staatsforst Burgholz von Elberfeld nach Cronenberg und dann die „Rheinische Strecke“ mit ihren Anschlüssen im Norden der Stadt stillgelegt wurden. Gerade in einer Topographie wie der des Bergischen Landes und besonders Wuppertals waren die Schienenwege (auch die vorschnell abgebaute Bergbahn und die Straßenbahn) wichtige, unverzichtbare Strukturen für den Personenverkehr. Heute heulen viele der damaligen Entscheidungsträger gewiß still in ihre Kissen, denn das war dumm, sehr, sehr dumm.


Der Haltepunkt Egerpohl an der Strecke Wipperfürth-Marienheide 1962 - Foto © Frank Becker

Bernd Franco Hoffmann, etwa Anfang der 70er Jahre geboren, hat die Blüte der Bergischen Bahnen größtenteils selbst nicht mehr miterlebt, sondern ist in das Zeitalter des Kniefalls der Verkehrspolitik vor der Auto-/Lkw-Produktion hineingeboren (mich graust, wenn ich nur an die Möglichkeit von Giga-Linern auf den schmalen, gewundenen Straßen des Bergischen Landes denke!). Umso verdienstvoller ist sein jetzt im Sutton Verlag erschienenes, reich und interessant illustriertes Buch „Stillgelegte Bahnstrecken im Bergischen Land“, das von einer besseren (Transport-)Zeit und ihrem Niedergang erzählt. Legendäre Eisenbahnverbindungen werden noch einmal „lebendig", die Reise führt ins Sülz-, Wisser-, Wiehl- und ins Aggertal, ins Tal von Wipper und Wupper, vorbei an Talsperren und zu beinahe magischen Orten wie Dieringhausen und Waldbröl (die standen als Fernziel vieler Kinderjahre oben an den Schienenbussen). Noch einmal können wir in Gedanken in den Cronenberger Samba, den Balkanexpreß und die Hütter Bahn einsteigen - auch wenn heute dort kein Schaffner mehr die Kelle hebt und seinen Ruf „Fertig!“ hören läßt.
Nicht nur aufgrund der vielen stimmungsvollen Fotos für Bewohner des Bergischen Landes und Nostalgiker ein Schmankerl, auch eine wirkliche Fundgrube für jeden Eisenbahnfreund. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 

„Samba“-Trasse, Haltestelle Wuppertal-Burgholz mit Schienenbus 515 - Foto © Frank Becker

Bernd Franco Hoffmann – „Stillgelegte Bahnstrecken im Bergischen Land“
© 2013 Sutton Verlag, 127 Seiten, Broschur, 16,5 x 23,5 cm, mit 76 Illustrationen
19,95 €
 
Weitere Informationen: www.suttonverlag.de
 
Lesen Sie in den Musenblättern bitte auch:
Michael Schenk -  „Mit dem Schienenbus von Flensburg bis München“