Rede über die Melancholie

von Hanns Dieter Hüsch

© 1979 Satire Verlag
Rede über die Melancholie
 
Ich möchte
Hier gerne
Meinen Vortrag wiederholen
Den ich zum Jahrestag
Des 14.11.1522
Also vor einigen Wochen
In der Akademie zu Herrenhausen
Vor acht Persönlichkeiten
Des öffentlichen Lebens
Mit dankbarer Unterstützung
Halten durfte.
 
Exzellenz
Gnädige Frau
 
Ich habe die Melancholie
Nicht erfunden
Die Melancholie nicht und auch
Obwohl ich nicht für eine Trennung
Von Kirche und Lied bin
Ich kann Ihnen das nicht schriftlich
Bestätigen
Nicht schriftlich
Auch nicht eigentlich
Und nur so gesehn bin ich Ihnen
Ist das im wesentlichen keineswegs
Ist das zu bedauern
Aber keineswegs
Könnte ich auf der anderen Seite
Mündlich
Darüber haben wir uns ja schon
Nächtelang
Nächtelang
Damals in Hildesheim
Auf die Dauer ist das natürlich
Zugegeben
Natürlich
Selbstverständlich
Ja
Ich
Ich bin im Grunde
Mit dem ganzen Gespräch einverstanden
Durchweg einverstanden
Keine Frage
Oder wenigstens nicht im wesentlichen
Natürlich gibt es Verschiedenheiten
Die
Wesentlicher Natur
Sagen wir mal
Natur oder natürlich sind
Einerseits natürlich
Aber wo ist die Grundidee
 
Ich vertrete hier keinen Standpunkt
Sondern
Obst Obst und Geschichte
Kausalität bitte
Bitte schön
Auch das
Ich glaube sehn Sie mal
Alle alle
Das ganze Geistige
Und das ganze Körperliche
Und das ganze was in .
Was in den
Das ganze Geschehen
Ich bin keineswegs der Ansicht
Irrtum keineswegs der Ansicht
Daß die
Schon in den ersten Augenblicken
Kann man das
Wenn man es begreift
Wenn
Ich sage wenn
Kann man das
Man kann es beurteilen wie man will
Verzeihung
Den Abstand gewinnt doch der
Ich bin da nicht pessimistisch
Nie und nimmer
Natürlich
Man muß frühzeitig
Man muß rechtzeitig damit anfangen
Rechtzeitig
Alles rechtzeitig
Und frühzeitig
Man muß frühzeitig wissen
Man muß das rechtzeitig
Das Ganze
Das ganze Gebiet der Musik
Milch und Mut
Und Musik auf der einen Seite
Rechtzeitig
Später alles Notdurft
Alles Notdurft mit Überbau
Auf der anderen Seite
Notdurft mit Überbau
Damit man die Finger
Wieder vorzeigen kann
Frühzeitig
Musik
Alles Methode und Notdurft
 
Nötig ja notwendig
Ich wollte nur sagen
Ich wollte nur sagen
Die gesamte
Das was wir Welt nennen
Gemeinhin Welt nennen
Das ist doch die Zelle
Die Zellteilung
Und dann Musik
Musik und Zellteilung
Ausdruck
Es gibt diese Beispiele
Massenhaft
Alles begraben aber
Alles rechtzeitig
Magen und Darm und Disziplin
Das ist unter Aufsicht zu bewältigen
Unter Aufsicht
Zucker und Zimt und Zukunft
Unter Aufsicht
Alles
Wasserpocken
Unter Aufsicht
Ziegenpeter unter Aufsicht
Stickhusten unter Aufsicht
Diphterie unter Aufsicht
Ja du lieber Gott
Aber im Zusammenhang
Frühzeitig das Nicaragua-Kaninchen
Vom Nicaragua-Panther
Unterscheiden können
Augen auf
Und unterscheiden können
Und dann Medizin und Musik
Bis zum Knie eingegipst
Mongoloid
Sie werden sich fragen
Aber es ist nicht so
Wie Sie sich das vorstellen
Auch nicht so
Wie ich mir das vorstelle
Es ist auch nicht so
Wie wir alle es uns vorstellen
Wie wir alle es uns
Immer wieder vorstellen
Es ist unvorstellbar
Aber das Ganze sehn
Immer das Ganze sehn das Ganze
Das ganze Seelische
Und das ganze Körperliche
Und Krone sein
Spitze
Das Ganze
Das ganz große Ganze
Im Zusammenhang
Im Zusammenhang mit den Müttern
Und den Vätern
So kam sie eines Tages
Über den zugefrorenen Fluß
Die Melancholie
In einem Schlitten
Gezogen von 14 Eskimohunden
Aus Florenz
Und aus den Behelfsküchen
Der Karolinger
Aus den weißen Flecken unserer Karten
Aus den Tagen und Nächten
Immer Tage und Nächte
Tage und Nächte
Immer wieder Tage und Nächte
Ohne Tage und Nächte
Unterscheiden zu können
Ist man kein angezogener Mensch
Richtig sehr richtig
Ich finde
Ich finde das sehr richtig
Wenn nicht richtungweisend
Ich finde das
Ich halte das für ausbaufähig
Ich halte das nicht nur
Für richtungweisend
Sondern auch für ausbaufähig
Untersuchen Sie
Das bitte mal
Auf seine Allgemeingültigkeit
Ich halte das nämlich
Für richtungweisend
Den Menschensohn als Volksausgabe
Drei Stunden Glück aus der Kassette
Widerwärtig
Nichts Hohenstaufisches
Kein Renaissancefeeling
Das Leben als Zitronenspeise
Wollen alle so aussehen wie jener
Wim Thoelke
Alles Notdurft
Unter Aufsicht
Jedenfalls Höhepunkt
Oder Mittelpunkt
Sonst Magermilch und Zellteilung
Ungefragt
Alles ungefragt
 
Alle ungefragt bestellt und abgeholt
Ich würde noch sagen
Wenn
Aber Irrtum
Weltweit weltweit
Alle ungefragt bestellt und abgeholt
Jeder weiß es
Aber keiner glaubt es
Alles das was
Sich hier abspielt
Das Eintreffen
In den Frühstückssälen
Auf der ganzen Welt
Jeden Morgen
Schon beim Ei Mißverständnisse
Jeden Morgen
Den Streitwert im Gesicht
Ich verstehe
Ich verstehe und insofern
Insofern bin ich mit Ihnen davon
Überzeugt
Insofern daß das gesamte
Ich kann Ihnen das nicht
Offen gesagt
Das Heilfleisch hat auch nachgelassen
Wie in der Steinzeit
Und plötzlich klingt eine Saite
Ping
 
Wir wollen uns doch hier nicht
Gegenseitig weismachen
Daß wir
Im Elend musizieren und
Profitieren
Musizieren und triumphieren
Das ist das Köstliche
Ich kann das belegen
Ich kann das alles belegen
Das ist doch ein rein indisches Problem
Herr Kollege
Bitte schön historisch
Es wird alles belegt
Wie Sie es wünschen
Wie jeder einzelne es wünscht
Wahrlich
Ich habe die Melancholie
Nicht erfunden
Sie lebt in den Augen
Zeitlos amorph
Inzucht sagen die Leute
Unsinn
Wir kommen alle aus einem Dorf
 
Ich habe zu danken
Zu danken
Wahrlich
Nein nein ich habe Ihnen zu danken
Danke
Vielen Dank
Reizend
Danke schön
Danke
 
 

 © Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus dem Band "Hagenbuch hat jetzt zugegeben & andere Rede- und Schreibweisen" (1979)
in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung