Zwei Stunden verschenkte Lebenszeit

Bayreuth 2013 - „Der Fliegende Holländer“

von Peter Bilsing

© Peter Klier
Bayreuth 2013 Eröffnungspremiere:
„Der Fliegende Holländer“
 
quasi live in der ARD
am 25.7.13 um 22 15 h MEZ.
 
Zwei Stunden
verschenkte Lebenszeit
 
Das ist keine Kritik und legt deshalb auch keinen Wert auf Vollständigkeit, sondern es ist ein kurzer, schnell niedergeschriebener, höchst subjektiver, Eindruck für alle Glücklichen, die es „live“ verpaßt haben und noch mal ein Kurzresumée für alle Unglücklichen, die es gesehen haben.
Tschuldigung - ich soll ja eigentlich nur noch „blühender Bockmist“ schreiben statt „gequirlte Scheiße“; aber so ein szenischer Müll und diese Art von Publikumsverarschung (ups, da ist das Wort schon raus!) haben ja in Bayreuth fast schon Kultstatus - immerhin zählt man den „Rattenlohengrin“
 
 
von Neuenfels mittlerweile zu den Kultveranstaltungen - natürlich! Mannomann, ich hätte beim Regieteam auch bebuht. Mich hättet ihr aber schon gehört, als der Vorhang fiel, wie letztens bei der großen Düsseldorfer Rheinopern-Zemlinsky-Volksverdummung.
 
 
Deshalb wohl lädt man mich auch so selten zu Bayreuther Eröffnungsvorstellungen ein, und auch nach Salzburg, wo sich wohl herumgesprochen hat, daß ich einer Dame der „Elder Stateswomen“ eine Ohrfeige angedroht hatte, wenn sie weiter so penetrant mit einem Fächer in meinem Bühnengesichtsfeld herumwedeln würde. Ihr schwächlicher Begleiter traute sich, nachdem er mich gemustert hatte, nicht den Fehdehandschuh aufzunehmen.
Selbst Tante Merkel schaute gestern Abend nicht so recht begeistert, wenn ich das als alter Märchentanten-Fan richtig einordne. Am schlimmsten erschienen mir die im Zuschauerraum lustlos Kaugummi-kauend wie depperte Kühe in die ARD-Kamera starrenden Blagen – anscheinend Ableger von Prominenten. Was sind das bloß für geladene Gäste bei den Bayreuther Eröffnungs-Premieren? Beckenbauer habe ich diesmal sowenig erspäht wie Roberto Blanco. Na wenigstens hätte Götze sich mal zeigen können - der war doch bestimmt eingeladen. Habt Ihr Yogi Löw gesehen?
Bei den Sängern kehrt man anscheinend zu den gewichtigen 70er Jahren zurück. Fand nur ich allein Samuel Youn überfordert, der mich einzig im Legato überzeugte? Die anderen kann man - besonders Senta - unter dem Aspekt „Kraft durch Freude“ noch akzeptieren... Wie gesagt, zurück ins Schreialter des letzten Wagner-Jahrhunderts. Dabei gibt es doch mittlerweile soviele auch attraktiv und angenehm anzuschauende, sogar textverständliche Wagnerstimmen.
 
Einschränkung: Ich habe es aber nur durch meine billigen Fernsehlautsprecher gehört, denen ich nicht unbedingt trauen würde. Meine 1200 Watt 7.1-Anlage war mir für diesen Müll zu wertvoll, obwohl Chor und Orchester schon sehr gut waren und meine Anlage verdient gehabt hätten.
Und fairerweise muß ich sagen, daß ich live-zeitversetzt gestern Abend nur 20 Minuten geschaut habe, dann ging ich - mich absolut ver... fühlend ins Bett und habe den ärgerlichen Rest der Geschichte erst heute morgen im Zeitraffer zum Spätstück zu Ende geschaut.
Wer da vor Ort 300 Euro für eine Karte ausgibt, muß sich doch schwarz ärgern...
Gottseidank, daß ich diesem Bayreuth für dieses Leben ADIEU gesagt habe; aber das liegt nicht unbedingt nur an der scheußlichen Regie-Qualität, sondern an meinem sensiblen Alters-Sitzfleisch + den Sado-Maso-Holzbänken in Ritchies Opern-Tempel. Da lobe ich mir doch das wunderbare Sitzgestühl in meinen Essener Lieblingshäusern; der Philharmonie und dem Aalto - da geht man gesünder raus, als man reingekommen ist. Und alles ist vollklimatisiert!
 
 
Peter Bilsing 26.7.13
Dank an Peter Klier für die schöne Karikatur
Eine Übenahme aus "Der Opernfreund" mit freundlicher Erlaubnis