Trauring aber wahr

von Hanns Dieter Hüsch

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Trauring aber wahr
 
Sag mal, hat mein Frau neulich zu mir gesagt, trägst du eigentlich noch unseren Ehering? Ja doch, hab ich da gesagt. ja aber, ich seh ihn gar nicht an dir! Ja, aber meistens, eh, meistens trag ich ihn. So, so, hat da mein Frau gesagt, meistens! Aber im Augenblick trägst du ihn nicht. ja, tatsächlich, im Augenblick trag ich ihn nich! Oh ja, ja, ich hab ihn glaub ich, ich hab ihn glaub ich im Bad auf der, eh, Waschbeckenablage, eh, beim, eh, beim, beim Zähneputzen liegenlassen. Heiliger Freud! Hat da mein Frau gesagt. Läßt der Mann beim Zähneputzen seinen Ehering liegen! Was sagt uns das? ja, das sagt uns, hab ich da gesagt, daß ich, eh, gleich springe und mir den Ring wieder flugs über meine Ehefinger streife. Aber sag mal, wenn meine alten Augen mich nich täuschen, wo hast du denn deinen Trauring? ja, den hab ich abgestreift, hat da mein Frau gesagt, weil er mich beim Kartoffelschälen aufregt. Er regt dich auf? Hab ich gesagt. Interessant. Interessant. Da sind wir ja wieder quitt, ne? Ein trauringloses Ehepaar. Ja, hat da mein Frau gesagt, wir können uns das leisten, nach all den Jahren, aber, eh, sag mal, wenn wir jetzt nochmal zwanzig wären, hab ich mir neulich mal so überlegt, und nochmal heiraten würden, würdest du dann auch Eheringe anschaffen? Ja, aber selbstverständlich! Hab ich da gesagt. Ja, aber wir ham doch jetzt grade festgestellt, dat et darauf nich ankommt! Ja, richtig, hab ich gesagt, richtig, aber, weil et nich drauf ankommt, grad deswegen würde ich Eheringe kaufen. Wenn et nich drauf ankommt, dann erst recht! Dat sagen die jungen Leute doch auch immer: Auf de Trauschein in de Ehe kommt et doch nich an. Richtig, aber wenn et nich drauf ankommt, sach ich immer, ne, dann kann mer sich auch einen zulegen, ne! Das is meine Logik, ne! Un einen Ehering dazu, als Symbol, wie heiß et doch immer: als Symbol unverbrüchlicher Bindung, wenigstens am Anfang, ne. Richtig, hat da mein Frau gesagt, un deswegen hab ich  dich ja auch gefragt, denn ich hab da nämlich neulich gelesen, dat ein armes Paar heiraten wollte, wie im Märchen is dat, aber kein Geld hatte. Un da hat die Heimatstadt Böblingen den beiden 600 Mark für Bekleidung un 100 Mark für das ganze Hochzeitsdrumrum gegeben. Aber für die Eheringe, in einfachster Ausführung, keine müde Mark mehr, nee! Die Böblinger meinten nämlich: Eheringe, ne, das sei kein notwendiger Lebensbedarf, ne. Außerdem sei es ja auch unter jungen Leuten oft nich mehr üblich, überhaupt welche zu tragen. Ne, un das Sozialamt hat auch den Antrag des Paares, wenigstens bei der kirchlichen Trauung mit einem sogenannten ,,Sozialring" ausgestattet zu werden, rücksichtslos gestrichen, ne. Und dat Stuttgarter Verwaltungsgericht fand dat alles in Ordnung, fand die janze Entscheidung, also fand daran nix auszusetzen, ne. Aber, jetzt kommt et: Der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim war da anderer Meinung! Die haben gesagt, nich wahr, weite Teile der Bevölkerung, ne, legten nach wie vor Wert auf Eheringe! Und das besagte Paar hat dem Grund nach Anspruch auf eine einmalige Hilfe zum Lebensunterhalt für die Anschaffung von Eheringen, ne. Un mit dem Ring verhalte es sich nicht anders als mit der Sitte, beim Tod naher Angehöriger Trauerkleidung zu tragen, ne. Aha! Aha! Hab ich da zu mein Frau gesagt. Sowat liest du und ziehst beim Kartoffelschälen de Trauring ab? Un du, hat mein Frau gesagt, läßt dein Ehering ständig im Bad auf der Waschbeckenablage beim „Zähneputzen“ liegen? Ich mach dir einen Vorschlag, hab ich da gesagt, vielleicht spenden wir beide unsere Ringe einem jungen armen Brautpaar, hm? Unsere Ehe hat doch lang genug gehalten! Du meinst, bei uns kann nix mehr schiefgehen? Genau, hab ich da gesagt, womit wir endlich einmal wieder einer Meinung sind! 
 
 
 © Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung