Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Gedanken über
Studentenfutter


26. August: Die Menschen sind nur in ihrer Gesamtheit zu ertragen. Was wären wir denn ohne andere Kulturen und ohne andere Wahrheiten? Ich sehe die Menschheit als eine riesige Tüte Studentenfutter. Alles gehört zusammen und schmeckt auch nur so. Man schüttet die Tüte in eine Hand und ißt die zufällig entstandene Mischung. Manche Studenten fischen immer die Nüsse aus dem Studentenfutter und lassen die Rosinen links liegen. Das zerstört das Gesamtbild und den Gesamtgeschmack. Warum holen sie sich kein reines Nußnaschwerk anstatt das Gleichgewicht der Welt zu zerstören? Die Vollkommenheit ist keine Häppchenkultur. Natürlich, ich kenne eigentlich niemanden, der gerne Rosinen im Studentenfutter mag. Trotzdem sind sie fester Bestandteil dieser Knabbermischung und Teil eines großen Genußerlebnisses. Man erträgt die Rosinen nicht einzeln, sondern nimmt sie als Bereicherung beim Verzehr der stockdoofen Nüsse. Vielleicht müßte man diese Gedanken noch weiter verfolgen und vielleicht auch besser ausdrücken, aber letztenendes reden wir von Studentenfutter, und man sollte nicht zuviel in diesen Pausensnack hineininterpretieren.
 
28. August: Bäckerbeerdigung Wenn ein Bäcker stirbt, ist das immer ein trauriger Tag. Die Kinder neigen die Köpfe und rufen traurig: „Apfeltaschen, Apfeltaschen, wir wolln Apfeltaschen naschen.“
Alle gehen mit knurrenden Magen hinter dem Sarg her und hoffen, daß er dieses Knurren hört und ahnt, wie sehr wir ihn vermissen.
Wenn ein Bäcker stirbt, dann gibt es eine Woche lang nur Mohnteilchen, Donauwellen und Schokoladentorten zu essen.
Es wird nur Kuchen verkauft, der schwarz ist und schwer im Magen liegt.
Wenn ein Bäcker stirbt, dann ziehen blutrote Wolken auf und der Himmel verwandelt sich in einen Backofen.
Manchmal schauen dann alle nach oben und ahnen, wo der Bäcker einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat.
 

© 2013 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker