Vom E-Bridge - und von Hölzchen auf Stöckchen (2)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Vom E-Bridge
- und von Hölzchen auf Stöckchen (2)

Eines der größten Probleme nun bei der Vernetzung von Stromanbietern und Verteilern – um nur zwei der wichtigsten Komponenten bei diesem Spiel zu nennen – sind die großen Unterschiede, welche die unterschiedlichen Stromarten aufweisen. Da zu koordinieren und sinnvoll zu verteilen ist eine Aufgabe, der sich unsere rheinischen Freunde täglich mit Bravour stellen. Ich meine, es ist ja auch wirklich nicht einfach und es weiß ja auch keiner, wie das alles zusammenhängt. Unsereins hängt sich an die Steckdose und fertig ist die Laube. Nur: wenn da Strom rauskommt, was für ein Strom kommt denn da wirklich heraus? Ich meine: bei der Bierleitung ist das ja auch keinem egal. Es sind ja wesentliche Unterschiede ob da aus der Leitung Paulaner, Köstritzer, Leipziger Goose, Kölsch oder – Brrrr! – Alt rauskommt, oder?! Genau so ist das aber auch beim Strom, wie Sie ja sicherlich alle wissen.

Nehmen wir nur mal kurz die wichtigsten Unterschiede:
spanischer Strom aus Andalusien oder der Extremadura z.B. wird ja mit ganz anderen Temperaturen ins Netz gespeist als norwegischer. Der muß also erstmal heruntergekühlt werden auf mitteleuropäische Temperaturen und das kostet Geld: er wird z.B. durch Seen geleitet, der Vierwaldstätter See ist da z.B. ideal, weil man die Kabel durch den Gotthard stecken kann, aber bei Kosten von 0,07 Rappen pro Kilowattstunde können Sie sich ausrechnen, daß sich da nix mehr rechnet. Dann könnte man den Strom ja auch direkt aus Ouagadougou beziehen, oder?! Britischer Strom hat das Problem, daß er falsch herum in der Steckdose liegt, die haben ja Linksverkehr auf der Insel, etc. pp. Da sind also schon gewaltige Unterschiede zu bewältigen, noch schlimmer aber ist es bei einheimischem Strom. Da brauchst Du absolute Vernetzungsprofis um da noch durchzublicken.
Fangen wir einmal unten im Süden an: Bayern. Der Strom, den uns die Eon da aus Bayern ins Netz einspeist, hat seine Tücken: es ist 1a Starkstrom, frisch von den Paulaner-Generatoren abgezapft, ein Strom, der strengstens nach alpinem Reinheitsgebot erzeugt wurde: es ist Strom, der ausschließlich aus klarem Gebirgswasser ohne jegliche Beimengung von der Enel oder ähnlichen Netzen generiert wurde. Er wurde mit Pelton-Turbinen mit echten Holzschaufeln gewonnen und mit dem Gamsbart auf 5o Hertz gekämmt, ein Strom von allerfeinster Bio-Qualität, der Pluspol blau, der Minuspol weiß eingefärbt damit er auch noch im Rheinland als bayerischer Strom erkannt werden kann. So einen Strom kannst Du natürlich nicht jedem anbieten. Tatsächlich wird er fast ausschließlich an Einrichtungen des Erzbistums Köln verkauft, Kardinal Meisner hat sich da seinem Papst vielleicht ein bißchen zu sehr verpflichtet gefühlt.
Andererseits: dieser Strom kann direkt im Vatikan per e-mail bestellt werden, Sie kennen sicher die Adresse: urbi @ orbi.vat - was in diesem Fall nicht Vattenfall sondern Vatikan heißt.
Aber hier, wo Sie grad sagen: Bayern. Da möchte ich auf einen ganz ganz fundamentalen Unterschied zwischen dem rheinischen und dem bayerischen Menschen hinweisen, wo es doch immer wieder heißt, der Rheinländer sei so ein „Schwaadlappen“. Das Gegenteil ist richtig.
Wie ja der Bayer überhaupt in vielerlei Hinsicht ein Phänomen ist:
Wenn jetzt also der Bayer dodrövver am simeliere is, is dat so:
“Ja, wias kimmt, woaß ma net, und obs kimmt, woaß ma aa net gwiß und obs schee is oder net schee, wenns kimmt, falls es kimmt, woaß ma aa net und obs so kimmt, wias kemma soit, des is scho gar net gwiß, gei!
Weil: schee wars scho, wenns kemmat, aber obs dann no schee is, wenns kemma is, dös woaß ma net.
Weil: Schee wars scho, wenns so kemmat, wias kemma soi, aber obs so kimmt, wias kemma soit und net so kimmt, wias gar net nia nicht kemma soit, is net gwiß - und obs dann no schee is, wenns so kemma is, wias kemma hat soin, is aa net gwiß.
Weil: wenns so kimmt, wias kemma soi, is’s vielleicht, grad weil’s so kemma is, wias kemma hat soin, gar nimma so schee, wias vielleicht hätt sein kena, wenns so kemma waar, wias gar net nie nicht hätt kemma soin“
 
Dagegen der Rheinländer ist prägnant und kurz, akkurat eben: Et kütt wie et kütt!
 
Weiter: Speist der Schwabe seinen Strom ins Netz, so muß man wissen, daß es sich dabei um trägen, schweren Gleichstrom handelt. Er isch erzeugt worden von streng katholischen Kaplan-Turbinen, jede Schaufel vom Weihbischof gesegnet. Da stehen die in Bonn natürlich vor der Frage: wer soll diesen Strom auf die Steckdose gelegt bekommen? Rheinländer? Nicht daß ich wüßte. Der schwäbische Gleichstrom ist natürlich nur für schweres Gerät zuträglich, was weiß ich, das Eon-Schiff vielleicht, äh, oder eben der klassische Abnehmer: das Bergische Land. Bergisch ist ja Kölsch in Wollsocken, da passt der schwäbische Gleichstrom wunderbar hin, da kann er seine Kraft entfalten, die Kraft der zwei Herzen, weil mehr als zwei Hertz hat der Strom natürlich nicht, da ist auch eine gewisse Mentalitäts-Gleichschwingung da, also ist die Strecke: Freudenstadt – Bonn E-Bridge – Wipperfürth und fertig ist die Laube.
Ganz anders liegt der Fall, wenn bei der E-Bridge Strom aus Hessen einläuft. Der Hessenstrom ist ähnlich wie die Sprache des Hessen: hochfrequent und sprudelnd.
Das ist wie beim Sprechen:
ganz anders ist es im Hessischen.
Also wenn mr do emol Frankfott als Beispiel dadafür nemme, was die Hesse so ihr Land nenne, gell, ei wie wedd mer dann, ich glaab, ich muß mich setze!! Im Hessischen ist ja schon die Anatomie eine ganz andere.

Also das ist so: der normale Mensch, also der Nicht Hesse, der hat im Gehhirns ein Sprach oder Sprechzentrum. Das muß man sich so vorstellen: mitten im Gehirn drin is so ein Knubbel, so ein Beutelchen, da sind jetzt die Wörter drin. Wenn man jetzt, sagen wir mal, wat sagen möchte, dann guckse da erein, so nohm Motto: Wat hammer dann noch da, wat is nocht nicht verbraucht, dann werden paar Wörter herausgenommen, die werden dann durch dat Jehirns hinten in der Hals herein am Zäpfchen vorbei durch die Lippen eraus geschickt, fertig. Dat is jetzt normal.
Dieses Sprach und Sprechzentrum ist das Broca’sche Sprechzentrum, also dat is quasi hinter dem linken Ohr also innen drinnen, also unterm Knochen, klar, ne, wäre ja auch Quatsch sonst, ne, da hätte ja jeder am Ohr da so einen Beutel hängen, ne, und wenn man mal eine gescheuert bekommt, is man sprachlos, dat wör natürlich Quatsch, ne, wär ja Blödsinn.
Das ist jetzt aber beim Hessen vollkommen annerscht. Der Hesse hat des Sprach- und Sprechzentrum nicht mehr zentral im Gehirn angesiedelt sondern hat es quasi als dezentralisierte Außenstelle in den vorderen linken Naseflüschel verlegt, was natürlich Konsequenzen hat, wenn du des alles in den linken Naseflüschel legst. Zum einen natürlich, daß der Wortschatz wesentlich klaaner is als wies bei annere Mensche, weil: soviel hat da afach net Platz in der Naas, un wenn aner Schnuppe hat, zwaamal schnäuze, schon is wieder eine Sprache ausgestorben quasi und der Hesse wortlos und sprachlos und muß erst amol wadde, bis sich wieder so paar Wörtche angsammelt hawwe, damit er wieder den Mund aufmache kann. Zum anderen erklärt sich dadurch auch natürlich der leicht nasale Klang des Hessischen, weil: is klar, kimmt ja als aus der Naas, gell.
Andererseits hinwiederum erklärt sich genau aus dieser Tatsache, daß der Hesse wesentlich schneller babbele kann als jeder andere sprechende Mensch auf der Welt, weil: die Wörter misse ja net den langen Weg durch ganze Gehirn durch, sondern die dröppele anfach von der Naas uff die Lipp und zack! Sinn sie draußen!
Und es erklärt sich dadurch natürlich aach, daß der Hesse erscht amol babbelt und dann später, vielleicht, amol nachdenkt, weil: geht ja gar nicht anders: nachdenken kann er ja erst, wenn er g’hört hat, was er gebabbelt hat, vorher waaß er’s ja gar net, weil die Wörter eben nicht durch des Gehirn durch sind!
Dieser Strom, der ja gern von der RWE Hessen kommt, hat natürlich ganz eigene Qualitäten: er ist hochenergetisch, sprudelt wie Champagner aus der Steckdos oder wie flaschengegärter Äppelwoi, von der Perlage kommt das aufs selbe raus, er ist bestens geeignet für alles, was quirlt. Mit seinen gut 2oo Hertz ist das DER Strom für Gastronomie und Unterhaltungsindustrie, also für hallev Kölle außerhalb des erzbischöflichen Palais’. Da ist Kölle am Danze und Springe, da tobt sich im Linksrheinischen das Leben aus. Da brauchen auch die E-Bridge-Leute nicht viel dazutun: hessischer Strom plus rheinische Vernetzungsfähigkeit, das läuft quasi von selber und verästelt sich im rheinischen Netzwerk zu einer Mischung, die so attraktiv ist, daß man am liebsten selbst in die Steckdose fassen möchte.

Ganz anders ist das alles beim sächsischen Strom. Wenn z.B. Vattenfall in Leipzig Strom einspeist, ist das natürlich echter Dräh-Strom mit negativem Phasenwinkel. Warum? Weil das der einzige Strom ist, der rückwärts läuft! Ist da der Stecker erstmal in der Steckdose dann zieht dir der sächs’sche Drähstrom den Strom aus der Leitung, weil die über einen Soli-Schalter die Flussrichtung umkehren, genial! Aus westlicher Sicht ist das natürlich brandgefährlich, andererseits: der Sachse! Er ist eine arme Socke und hat eigentlich schon verdient, daß man ihm unter die Arme greift.
Der hat ja jetzt seit Karl dem Großen, un dat es über 1ooo jahre her, da hat der immer nur eins hintendrauf jekriegt. Kann eim leid tun oder nit, nutzt aber nix, war so. Der Sachse: immer hintendrauf auf den Schädel. Das prägt natürlich Sprache und Denkweise. Rein physikalisch is schon mal klar: der Schlag auf den Hinterkopf setzt sich ja nach vorne fort. Klar. Daß die Stirn da nicht viel zeigt, ist klar, is ja Knochen, aber da gibts ja noch die Unterlippe. Die Unterlippe als einzigstes verschiebbares Weichteil im Jesicht ist dann natürlich auch der Körperteil, der beim Sachsen am meisten unter den Schlägen op dr Kopp zu leiden hatte. Un wat is passiert? Beim Sachsen hat sich langsam die Unterlippe immer weiter vorgeschoben, dergestalt, daß der Sachse heutzutage die ganzen Laute und Wörter quasi ohne Oberlippe formen muß.
Deshalb ist sächsisch auch so einfach: Mundwinkel nach unten ziehen, die Unterlippe nach vorne schieben und einfach loofn lassn, so, als dät man gleich losheulen wollen. ich sage immer: die sächsische Sprache klingt, als hätte sie ein anderer eben noch im Mund gehabt!
Und auf das Denken hat sich das ja auch ausgewirkt. Was passiert, wenn man einen Schlag auf den Schädel bekommt? Der Kopp neigt sich nach vorne unten, so, wie wenn man jemanden grüßen wollte. Und das Denken entwickelt eine gewisse Unterwürfigkeit. Klar, weil das Hirn ja ständig nach vornüber geneigt ist.
Weil der Sachse aber auch ein Mensch ist und jeder Mensch natürlich versucht, Schmerzen zu vermeiden (z.B. dä Schlag op dr Kopp), hat der Sachse eine virtuose Technik entwickelt, wie er ohne das Risiko eines Schlags auf den Schädel, dennoch zum Ziel kommt. Der Sachse hat eine neue Fragetechnik entwickelt. Er fragt nie direkt. Das könnte ja zu einem Nein führen, das tut weh. Muß nicht sein. Er holt sich Sicherheit durch Ausschluß. Wie einer, der sich ausgesperrt hat und sich erstmal darüber freut: “Nu, die Tür is jedenfalls gut zu!”. Hier, z.B. domols in der Täterää. Kam er an die Grenze, der Sachse, so hätte er nie gefragt: “Darf ich mal rüber?”! Klar, Zack! eins op dr Kopp und fertig. Nee, nee, er hat sich an die Grenze geschlichen und gefragt: “Rüber darf ich wohl nicht?” und hat sich daran freuen können, daß er recht hatte! Raffiniert.
Der Sachsenstrom ist natürlich ideal, wenn mal ein Netz überlastet ist: wenn da von der Nordseeküste zuviel windgenerierter Strom runtergeschossen kommt, klemmen die E-Bridge-Leute da schnell den Sachsenstrom dran und fertig ist die Laube. Sollen die doch in Leipzig gucken, wohin mit der ganzen Plörre!
Sie sehen wie kompliziert diese Dinge sind mit der Stromverteilung, den Netzwerken und dem ganzen Zeug. Da Contenance zu bewahren ist nur dem Rheinland gegeben!
Was natürlich einige Voraussetzungen hat:
Der Rheinländer ist nämlich anders als sein Ruf. Er ist eben nicht präzise, wie der Preuße, nein, er ist weit mehr, er ist akkurat:
 
RECHTER WINKEL
 
Deshalb ist er auch der bessere Unternehmensberater als alle anderen – und er ist billiger!
Er bedient sich dabei des rheinischen Grundgesetzes und zwar der ersten drei Artikel:
es läuft nicht mehr ganz so, wie es soll etc pp. Jetzt hat der Chef die brillante Idee: Unternehmensberater holen. Jot – es nit billig aber wenn et sich lohnt...
Und das geht natürlich in mehreren Schritten:
 
Erstmal hätten wir da die Ist-Analyse
 
Dann die Prognose
 
Und dann die Risiko-Kalkulation
 
Und wie ist das beim Rheinländer? Der hat dat janze Zeuch gar nicht nötig: er hat ja das rheinische Grundgesetz, also:
IST-Analyse? Kein Problem: er kütt um 5 vor 12...
Et es wie’t es
 
Prognose: Et kütt wie’t kütt
 
Risikokalkulation: Et hät noch immer jot jejange
 
Hat er aber mal etwas vergeigt, dann hat er seine Möglichkeiten, aus der Bredouille zu kommen, so da wäre:
Die Absichtserklärung in der Vergangenheit.
Das geht so: nehmen wir einmal an, da sind zwei Angestellte, ein Rheinländer und ein Westfale, sagen wir jetzt mal spaßeshalber. Beide bekommen vom Chef den Auftrag, was zu erledigen. Eine Woche später kommt der Chef und fragt nach. Er kommt zum Westfalen und fragt, ob das erledigt ist, der Westfale hat es aber nicht erledigt. Nun hat der Westfale zwei Eigenschaften, die zu seinem seelischen Grundkostüm gehören: er sagt a) immer die Wahrheit, er sagt sie b) immer im falschen Moment. Da kann er nix für, is so. Der Westfale also sagt zu seinem Chef: „Ich hab das nicht erledigt!“. Das sagt er. Seinem Chef!
Ich meine: da muß man sich über die Arbeitslosenziffern doch nicht wundern, oder?
Was macht dagegen der Rheinländer, der es auch nicht erledigt hat? Er greift zur Absichtserklärung in der Vergangenheit und sagt treuherzig zu seinem Chef: „Ich wollt dat dieser Tage noch erledigt haben!“. Und wat is? Alle sind sie’t zufrieden und bestens gelaunt verläßt der Chef dat Büro! So muß man es machen!
 
 
In diesem Sinne!
Ihr
Konrad Beikircher
 
 
 ©  2013 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker