Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Entschleunigen!

22. Oktober: Im Kiosk. „Wenn sie da nicht mehr ist, haben wir sie nicht mehr. Ich könnte noch im Lager schauen, ob wie die WELT von gestern haben. Vielleicht verbirgt sich die WELT hinter dem DOM?“
 
24. Oktober: Die A 44, da juckeln alle rum, als könnten sie ankommen, wann sie wollen. Fahren da die Chefs in Urlaub? Wo leben die eigentlich? Die A 1, dreispurig, rechts die LKW, in der Mitte die Trödler und links dann die Wichtigen, die es eilig haben. Das ist die Theorie. In der Praxis gibt es eine neue Generation von Autofahrern, verdammt gut ausgebildet, ja überqualifiziert, die blinken gar nicht mehr, wenn sie die Spur wechseln. Die fahren freihändig, manche haben sogar die Augen geschlossen. Da hatte die Fahrschule Bergkemper aus Holzwickede ihre Hand mit im Spiel. Bergkemper, der hat schon ausgebildet, da gab es noch keine Autos. Da fuhr man noch mit dem Pferdewagen Rennen im Circus und hatte kurze Hosen an. Die neuen Raser, die steuern die Ausfahrt Schwelm an, müssen aber erst in Ronsdorf raus. Das ist Autoscooter in Echt. Die müssen nirgends wohin und dort erwartet sie keiner. Die sind nur auf der A1 um den Zeitgeist zu spüren. Hier will man Dampf ablassen. „Achtung Achtung auf der A1 kommt ihnen ein Falschfahrer entgegen.“ „Das bin ja ich.“ „Einmal ein Star sein und keiner kann mich aufhalten.“ Die würden am liebsten einen AUDI A8 fahren, können sich aber nur einen FIAT leisten. Das tut weh. Das kriegt der Motor zu spüren. Die essen während der Fahrt. Die essen Suppe. Die fangen in Remscheid an und sind in Wermelskirchen satt. Da gibt es Leute, die fahren wie die Irren über die B 68, um dann eine Stunde im Warteraum eines Arztes warten müssen, der bei ihnen Bluthochdruck feststellt. Ich kenne andere, die rasen wie bescheuert durch die Straßen, um dann auf dem Parkplatz eine Viertelstunde bis zum Parkscheinautomat rennen zu müssen, damit sie in der VHS ihren Vortrag über die Entschleunigung halten können. Ich kenne welche, die fahren so langsam, daß selbst Fahrradfahrer sie überholen können. Zum Glück gibt es die Paderborner, denen kann man nicht nur während der Fahrt zuwinken, die winken sogar zurück. Paderborner kommen einem immer nur entgegen, weil sie nach Paderborn wollen. Heimweh ist ihr zweiter Vorname.
 
26. Oktober: Oltengedicht:
3 Tannen zeigen mir den Weg
3 Tannen auf der Lichtung
Was ich in diese Reime leg
nenn ich 3 Tannendichtung


© 2013 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker