Zauberhaftes Märchen

Troon Harrison/Andrea Offermann – „Der Eisdrache“

von Jürgen Kasten

 

Zauberhaftes Märchen

 
„Der Eisdrache“
von Troon Harrison und Andrea Offermann
 
„Am Rande der Welt lauschte das Mädchen mit den grünen Augen den wilden Schreien. Die Eisdrachen kehrten zurück hinter den Nordwind.“
 
Das zu diesem Text gehörende Bild zeigt ein Mädchen mit dicker Jacke, die Kapuze über die wehenden langen Haare gezogen. Sie schaut in den Himmel, an dem zwischen wirbelnden Wolkenfetzen graue Drachen davonfliegen. Das nenne ich einen starken, eindrucksvollen Beginn zu einem kleinen Bilderroman, verfaßt von Troon Harrison und gezeichnet von Andrea Offermann. Lobend erwähnt werden muß auch Pauline Katz, die den Text aus dem Englischen übersetzte.
 
Erzählt wird die Geschichte des Mädchen, das mit ihrer Familie in einem einsamen Haus in der Wildnis wohnt. Der Winter geht dem Ende zu. Die Eisdrachen sind bereits abgezogen, der Frühling wird erwartet, doch er kommt nicht. Stattdessen wird es immer kälter. Nachts ist ein unheimliches Heulen zu hören. Nicht lange und der Frost hat die gesamte Natur zum Stillstand gebracht. „Kein Tier zu jagen, Kraut zu finden oder Holz zum Heizen.“ Langsam wird die Situation unerträglich. Die Familie kämpft um ihr Überleben.
Dann entdeckt das Mädchen die Ursache der vermeintlichen Naturkatastrophe. Auf dem Dach des Hauses liegt ein Eisdrache. „Flieg fort!“, rief das Mädchen zitternd. Flieg fort und laß den Frühling in unserem Tal tanzen!“. Doch der Drache ist verletzt, liegt selber im Sterben. Eine dramatische Geschichte ist es, die Troon Harrison erzählt. Dabei findet sie Worte, die zuhörende Kinder faszinieren, aber nicht ängstigen (Ich habe es getestet). Sie bangen um das Mädchen und sie bangen um den Drachen, sind versöhnt mit dem glücklichen Ende.
 
Es ist eine Lust, dieses Buch (vor) zu lesen und sich die begleitenden Zeichnungen anzusehen. Die dynamischen Bilder füllen die Seiten aus. Der Text ist darüber gelegt. Warme Braun-, Rot- und Grüntöne schmeicheln dem Auge des Betrachters. Bizarre Wolkengebilde, auftürmende Schneemassen und im Frost erstarrte Bäume unterstreichen dagegen die Dramatik. Dazwischen immer wieder das Mädchen mit den traurigen grünen Augen und der Drache mit schmerzverzerrtem, ängstlichem Blick. So ein traumhaft schönes Buch bekommt man wahrscheinlich nur dann hin, wenn man in den Rocky Mountains geboren und in Cornwall aufgewachsen ist. Heute lebt Troon Harrison mit ihrem Mann und vielen Tieren in Kanada und schreibt international verlegte Kinder- und Jugendbücher, die bereits einige Preise erhielten. Auch dieses ist preiswürdig. Daran wird die 1980 in Köln geborene Andrea Offermann großen Anteil haben. Ihre Illustrationen verzaubern. Studiert hat sie in Los Angeles. Heute lebt sie in Hamburg und arbeitet im Kunst-, Comic- und Illustrationsbereich.
Ein bezauberndes Märchen, das ich wärmstens empfehle. Der Verlag macht keine Altersvorgabe. Ich halte es für Kinder ab sechs/sieben Jahren für geeignet.
 
Troon Harrison/Andrea Offermann – „Der Eisdrache“
aus dem Englischen von Pauline Katz
© 2013 Residenz Verlag (Nilpferd in Residenz), Hardcover, gebunden, 56 Seiten, 165 x 240 mm  -  ISBN: 978-3-7017-2124-5
€ 14,90, sFr. 21,90
 
Weitere Informationen: www.residenzverlag.at, www.nilpferd.at