Hinter dem Nichts lauert eine böse Welt

Isabelle Flükiger – „Bestseller“

von Jürgen Kasten

Hinter dem Nichts lauert eine böse Welt
 
„Bestseller“
von
Isabelle Flükiger

 

Bei einem Rundgang auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober dieses Jahres wurde man von der Fülle des Angebotes schier erschlagen. Alles zu erfassen war praktisch unmöglich. Den Buchstand des kleinen schweizerischen Rotpunktverlages hätte ich auch glatt übersehen, wenn da nicht eine seit Jahren nicht mehr gesehene Wuppertaler Bekannte gestanden hätte, die nun just in diesem Verlag als Lektorin und Pressereferentin tätig ist. Wir plauderten über unsere letzten Jahre und als ich die Musenblätter erwähnte, drückte sie mir einen Bestseller in die Hand, der unbedingt besprochen werden solle.
Autorin: Isabelle Flükiger. Die vierunddreißigjährige Schweizerin, studierte Poltik- und Literaturwissenschaftlerin, lebte lange in Berlin, jetzt  in Bern, hat bereits vier Romane veröffentlicht und einige Preise erhalten. Die Originalausgabe des „Bestseller“ erschien zuerst 2011 in Frankreich.
Ob es tatsächlich auch im deutschsprachigen Raum ein Bestseller wird, liegt an Ihnen, liebe Leser. Jedenfalls heißt Flükigers Roman so, weil sich nämlich ihre Icherzählerin als Sekretärin eines Kunstmuseums unterfordert fühlt und deshalb während ihrer Arbeitszeit an einem Roman bastelt, den sie sich als künftigen Bestseller erträumt. Ihr Lebensgefährte ist Referendar an einem Gymnasium und träumt auch von einer glorreichen Zukunft. Beide sind um die dreißig. Beide sind glücklich. Morgens frühstücken sie auf ihrem Balkon und „schauen dem Nichts zu, das sich hinter dem Garten ausbreitet…“.
Als ihnen dann noch ein kleiner, süßer Hund zuläuft und ein überaus charmanter und intelligenter Asylant ihren Weg kreuzt, der bald ihr Untermieter wird, scheint das Glück vollkommen.
 
Bis hierhin glaubt man als Leser an einen netten, lustigen Gesellschaftsroman und erfreut sich an der Leichtigkeit der poesievollen Sprache Flükigers. Doch muß das glückliche Paar wie auch der Leser erkennen, daß sie einem Trugschluß unterliegen, denn Glück ist nicht das vordringliche Thema der Autorin. Sie beschreibt ein sympathisches Schweizer Paar um die 30 mit ungewisser Zukunft. Sie werden mit kleingeistigen Kulturmanagern konfrontiert, mit Lobbyismus, Mobbing, Rassismus, engstirnigen Mitmenschen und quälen sich selber mit Versagensängsten.
Isabelle Flükiger hat einen Roman mit Tiefgang geschrieben der berührt. Und es ist eine Lust, ihn zu lesen, denn wer solche Themen mit Witz, Esprit und einer gehörigen Portion Ironie transportieren kann, ist es einfach wert, gelesen zu werden.
„Wir haben Geisteswissenschaften studiert wie alle Welt, jetzt arbeiten wir wie alle Welt. Wir lieben uns, später werden wir Kinder haben. Der Weg ist abgesteckt“.
Mit diesen Sätzen stellt sich die Icherzählerin in dem Roman vor, einer Erzählung, die Beliebigkeit und Langeweile der heutigen jungen Generation beschreibt. Doch nur am Anfang, denn die Welt und unsere Gesellschaftssysteme sind vielschichtiger und so kommen auch die sympathisch dargestellten Protagonisten schnell in der Realität an, finden sich ungläubig in einer Umgebung wieder, in der vor lauter Duckmäusertum, Konkurrenzneid und Dummheit ein anständiges Leben nur schwer erträglich wird.
Isabelle Flükigers „Bestseller“ könnte auf diesem realen Boden wahrlich zum Bestseller werden.
 
 
Isabelle Flükiger – „Bestseller“
Aus dem Französischen von Lydia Dimitrow
© 2013, Rotpunktverlag, Zürich, 166 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag - ISBN: 978-3-85869-532-1
€ 19,90, sFr. 26,00
 
 
Redaktion: Frank Becker