Die Bäcker von Beumelburg

von Hanns Dieter Hüsch

Foto © Paul Maaßen
Die Bäcker von Beumelburg
 
Schwapp, schnippte der Prinz mit den Fingern und futsch war die Prinzessin. Schwupp, machte die Prinzessin mit dem Absatz, und der Prinz war wieder da. Da ich etwas monomanisch veranlagt bin, könnte ich das jetzt stundenlang machen. Mich interessiert dabei auch nur folgendes: Ich weiß nämlich nicht, d. h. ich versuche schon lange herauszukriegen, aus welchem Märchen speziell diese Stelle ist, weil sie mich immer an eine andere Geschichte erinnert, und zwar an die berühmte Geschichte „Die Bäcker von Beumelburg“. Die kennen Sie ja sicher. Kennen Sie nicht? Ach, die kennen Sie doch! Sie kennen doch die Geschichte von den Bäckern aus Beumelburg. Aber ja doch! Tun Sie doch nicht so! Sie kennen doch die Kinder von Dinkelsbühl, dann kennen Sie auch die Bäcker aus Beumelburg. Ist alles dieselbe Familie, kennen Sie nicht? Na gut, also. Also gut. Also, ich erzähle sie Ihnen. 
Als seine Bewußtlosigkeit, der Herzog von Braunschweig, vor den Toren von Beumelburg lag und die Bürger von Beumelburg darob nicht mehr ein noch aus wußten, schickten sie doch in der bekannten Herrgottsfrüh, die ist ja damals über Nacht sehr bekannt geworden, schickten sie doch in der bekannten Herrgottsfrüh 30 ihrer besten Bäcker vor die Tore der Stadt, die sollten den Herzog besänftigen und huben an, überliefert zu sprechen, das machte man damals noch. Das sollten wir uns auch wieder angewöhnen, überliefert zu sprechen. Huben also an: „Euer Libden, wir haben ein Brot für Euch gebacken. Das größte auf Erden, woran Eure Zähne viel Knackens haben.“


© Jürgen Pankarz

Da ließ seine Bewußtlosigkeit, der Herzog von Braunschweig, alle Bäcker erschlagen, auch die, die sich in  ihren Backöfen verkriechen und verstecken wollten. Und so findet ja bekanntlich, in jedem Jahr, auf dem wunderschönen uralten Marktplatz von Beumelburg kein festliches Weihespiel statt. Ist Pech, nicht? Tut mir leid! Ist dumm, nicht? Ist Geschichte, ist `ne dumme Geschichte. Aber eine schöne Geschichte. Schön dumm, sagt man ja auch. Ich dachte, Sie kennen die Geschichte. Jetzt kennen Sie sie.
Oder die Schuster von Augsburg. Als der freie Reichsgraf Franz von Otzingen einmal vor Augsburg lag und dann nie wieder und die Augsburger kein Auge mehr zutaten, schickten auch sie in der bekannten Herrgottsfrüh 100 auserlesene Schuster vor die Tore der Stadt, unter ihnen den Meister Hans von Flechtingen. Und der sprach; „Herr, wir bringen Euch Schuhe, die besten, von Hand gemacht, die tragen Euch bis in die Mongolei.“
Diese Geschichte ging auch daneben. Ist komisch, was? Es ist also nicht so, wie wir es immer vernehmen, keineswegs.
Nicht zuletzt auch die Spinner von Heidelberg, die kennen Sie ja sicher? Als Otto der Welfe ganz Lombardien ausgeplündert, gebrandschatzt und alles ausgezogen bis aufs Hemd, und plötzlich vor Heidelberg lag, da kriegten die Bürger von Heidelberg es mit panischem Schrecken, und kasteiten und ließen zur Ader sich usw. usw. und schickten doch in der bekannten Herrgottsfrüh 20 stadtbekannte Faden- und Tuchspinner vor die Tore der Stadt. Die sprachen sogar im Chor: „Seht, edler Herr, wir sind Spinner. Und haben nicht mal einen Kittel am Leib!“ Da fiel Otto der Welfe tödlich vom Pferd. Und als seine Reiter sahen die Standarte sinken, stoben sie auf und davon wie damals die goldene Horde beim Anblick des Timur. Die Spinner sind heute noch zu sehen. Erkältet, erfroren, versteinert! Erwachsene eine Mark, Kinder nur 20 Pfennig! 
 


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Meine Geschichten" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnungen stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.