Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Herbert Striegler
und Herr Willschneider


27. Dezember: Habe ich erzählt, daß ich einen Fahrlehrer hatte, der menschlich gesehen
eine Null war?
Er heißt Striegler, Herbert Striegler. Habe ich erzählt, daß Herr Striegler einem manchmal währen der Fahrt eine Kopfnuß verpaßte, damit man sich mehr auf den Kreisverkehr konzentrieren konnte? Eines seiner Lieblingssprüche ist: „Was nützt es Dir, wenn auf dem Grabstein steht: Er hatte Vorfahrt?“ Besonders gefürchtet war er, weil er manchmal bei einer Nichtbeachtung der Vorfahrtsregel selbst in die Bremsen stieg und abrupt die Fahrt beendete, damit man sich dieses Vergehen immer merken solle. Ich habe nun an meinem Auto die Nummer seiner Fahrschule angebracht. 0327201/ 60 80 22 30 50 und darunter die Sätze geklebt. „Sind Sie mit meinem Fahrstil nicht einverstanden? Rufen Sie diese Nummer an.“ Ruft also an, ihr Nörgler und Autobahndespoten. Ruft an, wenn euch mein Fahrstil auf die Eier geht. Ruft an, wenn ich nicht auf euer Lichthupen reagiere und womöglich bei Gelb keine Ampel mehr überquere. Ruft an bei der Fahrschule Striegler. Herr Striegler wird euch Tempoterrier zur Schnecke machen. Ihr werdet von nun an euren Blinker beim Abbiegen benutzen und 30 fahren, wenn Kinder auf der Straße spielen. Erspart euch das Hupkonzert, auf diesen Ohren ist Herr Striegler taub. Ich übrigens auch. Sollte Herr Striegler nicht zu Hause sein, dann ruft meine Mama an. Erzählt ihr von eurem Kummer. Meine Mutter wird euch schon den Marsch blasen. Darauf könnte ihr einen lassen auf euren Sitzheizungen.
 
28. Dezember: Herr Willschneider war nie jemand gewesen, der modischen Trends hinterhergerannt war. Er hatte auch oft das Pech, daß der Trend meist gerade vorbei war, wenn er anfing ihn zu bemerken. Letzte Woche war Herr Willschneider selbst einmal Trendsetter gewesen. Er hatte, aus Versehen mal seinen Mantel mit den Knöpfen der Jacke, die er immer darunter trug, zugeknöpft. Das sah völlig verwegen aus. Man sah plötzlich auch, was man unter dem Mantel trug. Eine Vereinigung fand statt - da wies der Mantel auf die Jacke hin. Wie wäre der Winter zu ertragen, wenn nicht alle Kleidungsstücke an einem Strang ziehen würden? Eine gute Idee, die lange Zeit das Straßenbild in Paderborn beherrschte. Leider machte das plötzlich einsetzende warme Wetter diesem Modetrend ein rasches Ende. Im Frühling trug Herr Willschneider keinen Mantel und konnte auch mit seinen altmodischen Senf-T-Shirts, die er um den Kopf gebunden hatte, keine neuen Entwicklungen mehr anschieben.
 


© 2013 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker