Arm in Arm mit dir zur Hölle…

Kabale und Liebe von Friedrich Schiller im TalTonTheater

von Frank Becker

v.l.: Tabea Fresemann, Angela del Vecchio - Foto: TTT
Arm in Arm mit dir zur Hölle…
 
Kabale und Liebe
Drama von Friedrich Schiller

 
Ehret die Frauen! Sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben…
(Friedrich Schiller, „Die Würde der Frauen“, 1796)
 
 
Regie: Jens Kalkhorst - Kostüme: AMD Schule für Mode und Design Düsseldorf
Besetzung: Michael Hans Herrmann (Präsident von Walter) - Patrick Schiefer (Ferdinand) - Maurice Kaeber (Hofmarschall von Kalb) – Angela del Vecchio (Lady Milford) - David Meister (Sekretär Wurm) - Jens Kalkhorst (Miller) – Doris Hartmann (Millers Frau) - Tabea Fresemann (Luise) - Stephanie Spichala (Zofe Sophie) - Thomas Stratmann (Kammerdiener)
 
 
Wie nahezu jedes Theater hierzulande hat auch das Wuppertaler TalTonTheater Friedrich Schillers Drama „Kabale und Liebe“ aus dem Jahr 1784 um Dünkel, Intrigen und echte Leidenschaft in einer Wiederaufnahme von 2010 auf den Spielplan genommen, ist es doch zentrales Abiturthema. Auf karger Bühne, doch mit den vorzüglichen historischen Kostümen der AMD Schule für Mode und Design Düsseldorf gibt Jens Kalkhorsts Inszenierung von Schillers bürgerlichem Trauerspiel um eine unmögliche Liaison schon mal optisch Authentizität. Kalkhorst, der eingangs mit einem stummen Aufmarsch wirkungsvoll die dramatis personae vorstellt, hat seine Inszenierung als musikgewaltiges Drama mit starken, teils fast karikierenden Charakterzeichnungen angelegt, die Schiller vermutlich zusagen würden. Stellt er doch Autoritäten in Zweifel, macht Seelenkonflikte deutlich und Hofschranzen lächerlich, gibt den Kabalen auf allen Ebenen den passenden Ton. Die musikalischen Übergänge unterstreichen die Dramaturgie mit passenden Akzenten.
 
Ferdinand, Major und Sohn des Präsidenten von Walter liebt Luise, die Tochter des Musikers Miller. Sowohl Ferdinands Vater als auch Miller lehnen eine Verbindung ihrer Kinder aus Dünkel ab. Präsident von Walter will Ferdinand mit der Mätresse des Herzogs, Lady Milford, verheiraten, um seinen Einfluß bei Hof zu vergrößern. Ferdinand kündigt ihm den Gehorsam auf und will Luise zur Flucht überreden. Er gesteht Lady Milford seine Liebe zu Luise, doch erst als die mit Luise selber spricht und mit deren reinem Wesen konfrontiert wird, gibt ihre Heiratsabsichten auf und verläßt das Land. Um zu verhindern, daß Ferdinand seine Drohung wahrmacht, nämlich den Hof über die korrupten Machenschaften seines Vaters aufzuklären und zu verraten, „wie man Präsident wird“, werden Luises Eltern grundlos verhaftet. Vor dem sicheren Tod, so erklärt der intrigante Secretarius Wurm Luise, könne sie ihre Eltern nur durch einen an den Hofmarschall von Kalb gerichteten Liebesbrief retten. Der erzwungene Brief wird Ferdinand zugespielt, dessen Eifersucht und Rachegelüste ihn als wenig charakterfest decouvriert. Der Beginn vom tödlichen Ende.
 
Wie so oft bei Schillers Kabale richtet sich die Aufmerksamkeit schnell auf die ergiebigen „Außenseiter“ wie den Sekretär Wurm, den David Meister mit brutal-leisen Tönen als einen hundsgemein durchtriebenen, notgeilen, Handgreiflichkeiten nicht scheuenden Smigel meisterlich anlegt. Augenblicklich in die Herzen der Zuschauer spielt sich Maurice Kaeber als schwadronierender Hofmarschall von Kalb, eine falsettierende schwuchtelige Plaudertasche mit gelegentlichem Bariton – köstlich und Auftritt um Auftritt ein Kabinettstückchen!


v.l.: Michael Hans Herrmann, Maurice Kaeber - Foto: TTT

Doris Hartmanns bodenständige,
leicht ironische Frau Miller, die im falschen Augenblick das Maul nicht halten kann, wirkt sympathisch souverän, beachtlich aber auch, wie sich Kalkhorst selbst als Vertretung für den erkrankten Darsteller in die Rolle des Hofmusikus Miller hineinschafft und dem sich selbst überhöhenden Präsidenten (Michael Hans Herrmann) Paroli bietet. Angela Del Vecchio gibt Mitgefühl weckend die Lady Milford, eine aufs Abstellgleis geschobene alternde Hof-Mätresse. Im Aufeinanderprallen mit ihrer Gegenspielerin Luise (Tabea Fresemann) illustriert sie den zerrissenen Charakter dieser zerstörten und nicht minder manipulierten Frau ergreifend. Darstellerisch verläßt sie als Siegerin die Walstatt. Die schwärmerische Liebe zwischen Ferdinand (Patrick Schiefer) und Luise hätte durchaus etwas weniger süßlichen Romeo/Julia-Sirup und mehr Jugend vertragen, doch reichte weder das Feuer in beiden noch bei Schiefer die erforderliche Jugend dazu und für zarte Zwischentöne aus.
 
Dennoch, eine sehenswerte Aufführung, die in Schillers Sinn vom Mißbrauch der Macht, von Hoffart, Intrigen, falsch verstandenem Stolz und – ja, auch von der Liebe erzählt. Daß hier keiner der Männer moralisch unlädiert bleibt und allein die Frauen im Licht stehen, zeigt auch Schillers Verehrung, ja Hochachtung für das weibliche Geschlecht.
 
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
(1. Korinther, 13)
Weitere Informationen: taltontheater.de/