Laß mich nicht im Stich, Aspirin

Marcel Aymés „Ein Mann geht durch die Wand“ in der Inszenierung von Gil Mehmert

von Frank Becker

Ein Mann geht durch die Wand, Ensemble - Foto © Bodo Kürbs

Laß mich nicht im Stich, Aspirin
 
Marcel Aymés „Ein Mann geht durch die Wand“
in der Inszenierung von Gil Mehmert
Musical nach der Novelle „Le Passe-Muraille“
 
 
Musik: Michel Legrand - Texte: Didier van Cauwelaert - Deutsche Bearbeitung: Edith Jeske
Inszenierung: Gil Mehmert - Choreografie: Melissa King - Musikalische Leitung: Patricia Martin, Michael David Mills - Bühne: Beata Kornatowska - Kostüme: Jennifer Thiel.
Besetzung:  Mathias Schlung (Herr Dutilleul, ein Postbeamter), Marie Lumpp (Isabelle, seine Nachbarin/Frau A/Schaufensterpuppe), Reinhard Brussmann (der Staatsanwalt, ihr Mann/der neue Chef), Cornelia Uttinger (Hure), Sven Fliege (Zeitungsverkäufer/Dubeurre, ein Arzt/Gefängnisdirektor), Christian  Stadlhofer (Maler), Miriam Schwan (Fräulein M/Kommunistin/Schaufensterpuppe), Jörn Seelhorst (Herr B/Gefängniswärter/Bäcker), Johannes Kiesler (Herr C/Gefängniswärter/ Vertreter der Action française)
Uraufführung: 6. November 1996, Maison de la Culture, Nantes; 15. Januar 1997, Théâtre des Bouffes-Parisiens, Paris. Broadway Premiere: 20. Oktober 2002, Music Box Theatre, New York City. Deutschsprachige Erstaufführung: 16. April 2012, Theater im Rathaus, Essen.
 
Geschichte mit tieferer Moral
 
Zumindest als Kind hat wohl fast jeder mal davon geträumt, durch Wände gehen zu können. Marcel Aymé hat 1943 diesen Traum in einer kleinen moralischen Erzählung umgesetzt, in welcher der unscheinbare, alleinstehende Pariser Postbeamte Dutilleul plötzlich diese Fähigkeit an sich entdeckt. Er nutzt sie in seinem Viertel Montmartre dazu, sich durch nächtliche Einbrüche, deren Beute er an kleine Leute verschenkt, zu einem „Helden“ von Paris zu stilisieren, im wesentlichen aber, um der angebeteten Nachbarin Isabelle zu imponieren, ihr Herz zu erobern. Das gelingt ihm sogar, während er vor Gericht gestellt gleichzeitig deren Gatten, einen Staatsanwalt, als Kollaborateur entlarvt. Doch die romantische Geschichte findet ein jähes Ende – und das ist die tiefere Moral darin – als er gedankenlos zwei Medikamente verwechselt, seine Fähigkeit verliert und dadurch in der Mauer zum Gemach der Geliebten für immer stecken bleibt.
 
Schwaches Musical
 
Didier van Cauwelaert (Libretto) und Michel Legrand (Musik) haben 1977 daraus ein mäßiges Musical gemacht (kein Stoff ist ja davor sicher), nicht unbedingt Legrands Meisterstück. Warum es „Chanson-Musical“ untertitelt ist, muß ein Rätsel bleiben. Es ist nicht ein einziges veritables Chanson darin. 2012 inszenierte Gil Mehmert die deutsche Fassung von Edith Jeske in der deutschen Erstaufführung für das Theater im Rathaus Essen. Auf seiner Tournee 2014, die im Januar startete, gastierte die recht aufwändige Produktion mit neuer Besetzung und ordentlicher Trio-Live-Begleitung am vergangenen Mittwoch vor nicht einmal 100 Gästen, darunter ein großer Fanclub der Folkwang-Schule, im Remscheider Teo Otto Theater.
 
Inszenierung besser als die Vorlage
 
Im schönen, Peynet nahen Bühnenbild von Beata Kornatowska gaben die engagiert agierenden Darsteller Mathias Schlung (farblos wie sein Dutilleul), Marie Lumpp (süß als Isabelle), Reinhard Brussmann (ein passend polternder Chef und Staatsanwalt), Cornelia Uttinger (eine wirklich ansehnliche sympathische Hure), Miriam Schwan (mit viel Pfiff als Fräulein M), Sven Fliege und Johannes Kiesler in vielen Rollen u.a.m. eine Kostprobe dessen, was deutsche Musical-Künstler „drauf“ haben. Pfiff hatte übrigens auch, wörtlich zu nehmen, ein gegen Enge vom Ensemble gepfiffener Mutmacher-Song. Stimmsicher, elegant im Tanz-Solo und in Ensemble-Choreographien (ausgezeichnet von Melissa King einstudiert) und auch schauspielerisch ansprechend holten sie in flotter Szenenfolge das Bestmögliche aus der schwachen Vorlage heraus. Dank der stringenten Regie von Gil Mehmert blieben aus dem wenig mitreißenden Musical wenigstens am Schluß für den Heimweg Melodien wie „Laß mich nicht im Stich, Aspirin“ und das finale „Es war zu schön um wahr zu sein“ haften, nachdem nach der zu viel versprechenden Eröffnungsnummer „Ba-ba-ba“ lange Zeit Flaute geherrscht hatte.


Ein Mann geht durch die Wand, Ensemble - Foto © Bodo Kürbs
 
Weitere Informationen: www.theater-im-rathaus.de  und  www.landgraf.de