Was kostet eine Seele?

Erol Sander liest Oscar Wildes „Dorian Gray“

von Frank Becker

Foto © Veranstalter / Carpe Artem
Was kostet eine Seele?
 
Erol Sander liest Oscar Wildes „Dorian Gray“
 
Das Unheimliche, das Faszinierende übersinnlicher Geschichten hat Autoren wie Leser seit jeher in seinen Bann gezogen. Sei es bei Adelbert von Chamisso Peter Schlemihls verkaufter Schatten, sei es das von Scapinelli gegen üppigen Wohlstand eingetauschte Spiegelbild des Studenten Balduin in Hans Heinz Ewers´ „Der Student von Prag“ oder das beliebte Doppelgängerthema u.a. bei E.T.A. Hoffmann und Edgar Allan Poe. Gleich in welcher Gestalt der jeweilige „Geschäftspartner“ oder Doppelgänger auftritt, stets ist es der Teufel, der dahinter steckt.
Eine ungemein faszinierende Variante des Themas schuf 1890 der irische Schriftsteller und Exzentriker Oscar Wilde mit seinem einzigen Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“. Der schöne Jüngling Dorian Gray, fasziniert von seinem von Basil Hallward genial gemalten Portrait, verkauft dem Teufel seine Seele um den Preis der ewigen Jugend, während an seiner Statt sein Bild auf dem Gemälde altert – nicht ahnend, daß er sich damit auch die eigene Entmenschung einhandelt. Skrupellos „tut er schreckliche Dinge“, richtet Frauen zugrunde, nimmt den Tod anderer in Kauf, ja tötet sogar mit eigener Hand Freunde.
 
Der Schauspieler Erol Sander, ein wirklich beneidenswert schöner Mann und erklärter Frauenschwarm, trat am vergangenen Sonntag im eleganten oberen Foyer des Remscheider Teo Otto Theaters an, um seinem andächtig lauschenden Publikum, zu gut 80 % Damen aller Altersklassen, diese packende Geschichte in einer Multimedia-Lesung zu vermitteln. Mit kurzen, sinnvollen Einspielungen der kongenialen Romanverfilmung von Oliver Parker (2009) mit Ben Barnes als Dorian Gray sowie Colin Firth, Rebecca Hall und Ben Chaplin wurde diese Lesung zu einem vor allem durch die Bilder fesselnden Literatur-Erlebnis, hatte man sich erst einmal in den durchaus angenehmen, wenn auch nicht unbedingt akzentuierten und gelegentlich nuscheligen Vortrag Sanders eingehört.
 
In den von Christian Reinisch gut konzipierten 70 Minuten, die zum Versinken in den packenden Text geeignet und auch für den Rezensenten wie im Flug um waren, hätte man (nur zwei Weingläser fielen um) die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können, so hing die charmante Weiblichkeit an Erol Sanders Lippen. Nieten hatten leider nur die Damen gezogen, die spät kamen. Sie mußten hinten sitzen – und konnten den schönen Schauspieler trotz Podest kaum sehen. Man fragt sich, wieso ein Programm mit solchem Zulauf – es hätten mehr Karten verkauft werden können – nicht im schönen und bequemen großen Saal des Theaters mit aufsteigenden Sitzreihen angeboten wird. Man erinnert sich gerne an einen berauschenden Abend mit der phantastischen Senta Berger in jenem Saal.