„Jiddisch im Rheinland“

Wurzeln und Wirkung einer Komponentensprache

von Frank Becker

„Jiddisch im Rheinland“
 
Das Ergebnis einer Tagung als kurzweiliges Buch
 
 
Täglich erleben wir, wie in der Politik und in der Wirtschaft gemauschelt wird. Der Dalles wurde schon in einem Schlager besungen, Joachim Ringelnatz bedichtete das „Geseires einer Aftermieterin“ und Adelbert von Chamissos Erzählung „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ gehört zum Kanon der literarischen Romantik. Wer im Ruhrgebiet hart arbeiten mußte, war seit jeher ein Malocher und uns allen ist keineswegs koscher, was (siehe oben) vermutlich in der politisch höchst brisanten Affäre Edathy derzeit in der SPD-Führung und der Regierungsspitze von manch einem Schlemihl gemauschelt wird.
Alle diese wundervoll illustrierenden Worte sind aus gutem Grund aus dem Jiddischen in die deutsche Gebrauchssprache übernommen worden. Wir bräuchten wahrscheinlich nicht die Flut von Anglizismen, wenn nicht von den Dümmsten der Dummen, den Nazis, während des Dritten Reichs neben dem Volk der Juden nicht auch deren hohe Kultur und reiche (und bildreichen) Sprache ausgelöscht worden wäre. Den Ursprüngen jiddischer Spracheinflüsse mit Fokus auf das Rheinland auf den Grund zu gehen war Ziel einer Tagung zu dieser besonderen Situation des Jiddischen, die 2013 vom Landesverband Rheinland veranstaltet wurde. Als Ergebnis der interdisziplinären Veranstaltung erschien jetzt eine hochinteressante Zusammenstellung von Aufsätzen der Tagungsteilnehmer unter dem Titel „Jiddisch im Rheinland. Auf den Spuren der Sprache der Juden.“
 
 „Das Jiddische ist eine Komponentensprache“, so Herausgeber Peter Honnen in seiner Einführung – „eine vollausgebildete, eigenständige Sprache, die durch Sprachkontakt in einer besonderen Situation der Mehrsprachigkeit überhaupt erst entstehen konnte und die durch solche anhaltenden Sprachkontakte in ihrem gesamten Sprachbau und ihrer kulturellen Semantik ausgeformt wurde.“   
Mit der hat sich 2013 eine Tagung beschäftigt, zu der Sprach- und Kulturwissenschaftler beitrugen
Jüngste Funde aus der Archäologischen Zone in Köln sollen belegen, daß schon in der mittelalterlichen Stadt ein offensichtlich „rheinisch“ gefärbtes Jiddisch gesprochen wurde – wenn auch zwangsläufig die akustischen Belege dafür fehlen.
Der Band beschreibt in sieben Kapiteln mit den Überschriften „Westjiddisch an Rhein und Main und im übrigen Europa“, „Die Sprache der Kölner Juden im Mittelalter nach ihren schriftlichen Zeugnissen“, „Der Text auf dem Fundstück 596-19“ (bezieht sich aus das vorausgegangene Kapitel), „Gott, das Rheinland und die Welt im 19. Jahrhundert“, „Hebraismen in deutschen Sondersprachen“ (gemeint sind die Gaunersprache Rotwelsch, das Münstersche Masematte, die Viehhändlersprache u.a.), „Jiddisch im Ruhrdeutschen“ und „Jiddisch in rheinischen Dialekten“ die Geschichte des Jiddischen von den Anfängen bis zu seinem Ende im 19. Jahrhundert.
 
Im Verlagstext heißt es dazu: „Jiddisch und das Rheinland – das ist
• eine alte Geschichte: weil schon im Mittelalter in Köln jiddisch gesprochen wurde, wie jüngste Funde belegen,
• eine lange Geschichte: in der über Jahrhunderte jiddisch und „rheinisch“ sprechende Menschen in der Region zusammengelebt und miteinander gesprochen haben,
• eine gemeinsame Geschichte: da sich die Sprachen von Juden und Christen gegenseitig beeinflusst haben,
• eine abgeschlossene Geschichte: weil seit mehr als 100 Jahren im Rheinland niemand mehr jiddisch spricht,
• eine aktuelle Geschichte: da sich im Wortschatz der rheinischen Dialekte, der alten Händlersprachen und der aktuellen Umgangssprachen wie dem Ruhrdeutschen verblüffend viele Spuren des Jiddischen finden lassen,
• eine interessante Geschichte also, die hier aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt wird.“


 
„Jiddisch im Rheinland“ (Hrsg. Monika Grübel/Peter Honnen)  Eine Veröffentlichung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR)
© 2014  Klartext Verlag, 191 Seiten, Broschur, einige Abb., Karten, Dokumente, mit Wörterbuch und Literaturverzeichnis
14,95 €
 
Weitere Informationen: www.klartext-verlag.de