„Ich gebe zu, ich war’s!“

Kochmüller hat durchblicken lassen...

von Christian Oelemann

„Ich gebe zu, ich war’s!“
 
Kochmüller hat durchblicken lassen, daß für ihn in der Buchhandlung Faltermüller neuerdings Hausverbot gelte. Nicht etwa, daß er unter dieser Restriktion leide, so Kochmüller; im Grunde sei man ihm faltermüllerseits lediglich zuvorgekommen, denn er selbst sei bereits seit Geraumem mit sich übereingekommen, in Rede stehende Buchhandlung nicht mehr zu betreten. Nur habe er nicht sang- bzw. klanglos seine Faltermüller-Besuche einstellen wollen sondern selbige erklärtermaßen, und zwar vor Ort von der Liste seiner zukünftigen Einkaufsziele bannen wollen, denn es sei ihm stets wichtig, so Kochmüller mit Nachdruck, keinerlei Mißverständnisse aufkommen zu lassen in Bezug auf seine Person und deren Gedinge.
Noch bevor er aber am zentralen Punkt der Buchhandlung Faltermüller, dem Kassenbereich, angekommen sei, um das Wort zu ergreifen, hätten ihn zwei schon ihrem Gesichtsausdruck nach bildungsferne Spätjugendliche rechts und links untergehakt, um ihn – selbstredend wider seinen Willen- vor die Tür zu zerren. Zugegebenermaßen habe er vorgehabt, unwesentlich später inmitten anderer Kunden laut werden und sich geschäftsschädlich verhalten zu wollen, aber dazu sei es ja aus eben erwähntem Grunde gar nicht gekommen.
Es sei zwar lange bereits Liedgut und geflügeltes Wort, daß die Gedanken frei seien, aber das stimme nicht, so Kochmüller desavouiert. Die Gedanken seien alles andere als frei, wenn man sie nicht einmal aussprechen dürfe, erklärte Kochmüller. Gekommen sei er übrigens auf seinen faltermüller-feindlichen Entschluß, weil er seit drei Wochen jeden Tag mehrfach vorstellig geworden sei, um zu überprüfen, ob sein, Kochmüllers, Buch auch in angemessener Weise präsentiert werde. Ja, er selbst, Horst Kochmüller, habe ein Vermögen dafür ausgegeben, seine bewegte Vita in Hexametern zu verdichten, und nun sei es doch sein gutes Recht, vermittels Kontrollbesuchen Obsorge zu treffen, daß das Kochmüllersche Leben nicht womöglich in zweiter, gar dritter Regalreihe ausgestellt werde, sondern seinem Wert angemessen, so Kochmüller.
Es habe sich aber herausgestellt, daß die Buchhandlung Faltermüller nicht ein einziges Exemplar von „Ich gebe zu, ich war’s!“ eingekauft habe, obwohl man es ihm seitens des Geschäftführers versprochen habe, und zwar in die Hand. In die Hand. Kochmüller habe in einem vertraulichen Gespräch mit besagtem Führer unter Hinweis auf seine, Kochmüllers, jahrelange Kundentreue zum Hause Faltermüller zu erkennen gegeben, daß er selbst der Autor sei, woraufhin man ihm sofort einen ganz anderen Respekt erwiesen habe, jedenfalls gefühlt, so Kochmüller. Dieser Schein habe jedoch getrogen, so Kochmüller mißvergnügt.
Selbstverständlich habe man dafür Sorge tragen wollen, daß „Ich gebe zu, ich war’s!“ in ausreichender Stückzahl ans Lager genommen werde, so Kochmüller, sich auf den Geschäftsführer beziehend, jetzt noch mißvergnügter.

Besagter Herr habe allerdings in der Folge stets das Weite gesucht und auch gefunden, wenn Kochmüller in fröhlicher Erwartung die Buchhandlung Faltermüller betreten habe. Man habe gar Aushilfskräfte auf ihn angesetzt, wenn er sich nach seinem Buch erkundigte; schlecht oder gar nicht ausgebildete und allenfalls auf Stundenbasis eingestellte Ignoranten, die nicht einmal den Namen Kochmüller gekannt, geschweige hätten buchstabieren können. Zwar unterstelle man Jugendlichen, wenn auch zu unrecht, daß sie sich zwar mit dem Computer  auskennten und auf Nachfrage jeden gewünschten Titel auf dem Bildschirm erscheinen lassen könnten, doch damit sei es bei diesen vom Geschäftsführer vorgeschickten Kanaillen nicht weit her gewesen. Weder Kochmüller hätten sie gefunden noch „Ich gebe zu, ich war’s“. Ein bebrilltes Aushilfemädchen habe sogar die Frechheit besessen, das Literaturunternehmen, das er mit der Herausgabe seines Lebenswerkes beauftragt habe, mit verächtlichem Ton als KZ-Verlag zu bezeichnen. Derlei führten sie nicht, wobei sie mit „sie“ offensichtlich auch sich selbst meinte. Tatsächlich prangte auf ihrer linken Brust ein Namensschild, auf dem „Faltermüller“ gestanden habe. Kochmüller sei erbost gewesen. Wie sie es wagen könne, so Kochmüller und er stellte ihr in Aussicht, wiederzukehren und sich an oberster Stelle zu beschweren - obschon der Gedanke, daß er es mit ebenjener soeben zu tun gehabt hatte, im Grunde hätte nahe liegen müssen.

Lange Rede, kurzer Sinn, so Kochmüller zu mir, als er sah, daß ich an Geduldigkeit einbüßte, er sei wie gesagt zurückgekommen, um eine flammende Rede gegen die Borniertheit des Buchhandels zu halten, und zwar vor möglichst vielen Zuhörern, die auf diese Weise möglicherweise neugierig auf „Ich gebe zu, ich war’s!“ hätten werden können. Zumindest habe er sich eine gewisse verkaufsankurbelnde Wirkung von seiner verlautbarten Enttäuschung, daß sein Buch noch immer nicht angeschafft worden sei, versprochen, dergestalt, daß man faltermüllerseits gar nicht umhin gekonnt hätte, in Rede stehendes Werk einzukaufen. Stattdessen habe man ihn tatsächlich hinausgeworfen, noch bevor … aber er wolle sich nicht wiederholen, so Horst Kochmüller zu mir am vergangenen Freitag.
 
 
 
© Christian Oelemann