Rossini und Wagner.

Ein Dialog - aufgezeichnet

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Rossini und Wagner.
 
Zum Thema, dem steifen auf der Bühne herumstehen, gibt es ein interessantes Gespräch zwischen Rossini und Wagner. Wagner traf sich 1860 mit Rossini:
 
Wagner: Meine ersten Werke hatten vor allem ein literarisches Ziel. Später befaßte ich mich damit, wie sich durch Zufügen von musikalischem Ausdruck die Bedeutung vertiefen ließe, und ich bedauerte sehr, daß mein freier visionärer Horizont durch die gängigen Grenzen des musikalischen Dramas beschränkt wurde.
Diese Bravourarien, diese geistlosen Duette, stets nach demselben Muster gestrickt und die vielen anderen hors d’oeuvre, die die Bühnenhandlung ohne jeden Sinn unterbrechen! Die Septette! In jeder respektablen Oper muß es ja den Punkt geben, an dem alle Charaktere eines Dramas, unabhängig vom tatsächlichen Charakter ihrer Rolle, nebeneinander - in trauter Harmonie! - auf der Bühne stehen, um auf einer Harmonie, einem Akkord zusammen zu kommen (und meistens auf was für einem Akkord, liebe Güte!), ...
Rossini: „Wissen Sie, wie wir das in Italien zu meiner Zeit nannten? La schiera dei carciofi, die Reihe der Artischocken. Ich war mir der Idiotie dieser Geschichte immer bewußt. Ich hatte dabei den Eindruck einer Reihe von Lastträgern, Dienstmännern, die sich versammeln, um für ein Trinkgeld zu singen. Was hätte ich denn machen sollen? Es war die Tradition - etwas, das wir dem Publikum einräumen mußten, damit es uns nicht mit gekochten Äpfeln bewirft… oder gar mit ungekochten!“
Wagner: „Und dann das Orchester mit seinen immer gleichen Einspielungen… farblos… stur denselben Formen folgend, ohne die Vielfältigkeit der einzelnen Charaktere und Situationen zu beachten… mit einem Wort, diese Konzertmusik, die so völlig fern der Handlung lag, ohne jede Daseinsberechtigung außer der Konvention - Musik, die die besten Opern an vielen Stellen erstickt - das alles erschien mir so gegen den gesunden Menschenverstand und so inkompatibel mit der hohen Mission einer noblen Kunst, die diesen Namen verdient.“
Rossini: „Sie haben da eben unter anderem die Bravourarien angesprochen. Nun, was soll ich Ihnen sagen? Sie waren meine Alpträume. Gleichzeitig nicht nur die Prima Donna, sondern auch den ersten Tenor und den ersten Baß zufrieden zu stellen!... es gab Sänger - ganz abgesehen von den grauenhaften Damen - die haben doch tatsächlich die Takte ihrer Arien gezählt, kamen dann erbost an und drohten nicht zu singen, weil die Arie ihres Kollegen mehr Takte hat, ganz zu schweigen von mehr Trillern, mehr Ausschmückungen...“
Wagner: „Mit einem Lineal wurde da gemessen! Als Komponist blieb einem nichts anderes übrig, als ein Metermaß für seine Inspiration zu benutzen.“
Rossini: „Lassen Sie es uns doch das - Arienmeter nennen! Wirklich, diese Leute waren wie wilde Tiere. Sie waren es, die mein Hirn zum Schwitzen brachten und mir dadurch zu einer Glatze verhalfen. Aber lassen wir das und kommen wir zurück auf Ihre genannten Gründe…
 
Sie sehen: Oper war immer schon gut für hohe Wellen, Anekdoten und Intrigen jeglicher Art.
 
Mozart hat in seinem Idomeneo genau diese Konfrontation übrigens gesucht: die Konfrontation seiner neuen Opernwelt, in der Menschen und ihre Gefühle die zentrale Rolle spielten – so etwas wie Così fan tutte wäre bis dahin nicht denkbar gewesen, die Fähigkeit Mozarts aber, selbst tiefsten Gefühlen den richtigen musikalischen Ausdruck verleihen zu können – denken Sie doch an Ach ich fühls aus der Zauberflöte z.B. – eröffnete plötzlich ganz neue Horizonte für die Opernwelt. Jetzt entstand peu à peu das, was wir heute unter Oper verstehen.
Und mit Mozart und seinen Kugeln sind wir natürlich in Salzburg und damit bei der Frage, warum ausgerechnet Salzburg das Mekka der Festspielwelt geworden ist. Ich meine: Salzburg ist weder die Wiener Staatsoper noch die Met in New York, geschweige denn die Scala. Wobei sich da, verzeihen Sie, wenn ich abschweife, schon die Frage stellt, warum die Scala in Mailand zur Nummer 1 in der Opernwelt geworden ist, sie ist geradezu das Synonym für Oper, mehr als alle anderen Opernhäuser zusammen, warum?
 
Darüber erzähle ich Ihnen am nächsten Dienstag an dieser Stelle ein bißchen mehr. Schalten Sie also ihren Computer wieder bei den Musenblättern ein – ich freue mich auf Sie!
 
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
 

©  Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker