Wie binde ich einen Schlips

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Wie binde ich einen Schlips
 
Ich hab doch früher so Bekleidungsphasen gehabt. Ich Weiß nicht, ob Sie das noch wissen. So zwei Jahre ganz englisch anthrazitgrau Weste mit Schalkragen usw. Und Schlips, und dann wieder zwei Jahre völlig verlottert bis verwahrlost, unter den Brücken, und dann wieder zwei Jahre, also immer so hin und her. Ein Kind nach dem anderen mit dem Bade ausgeschüttet. Und neulich, hatte ich wohl längere Zeit keinen Schlips getragen, mit dem Fahrradfahren ist ja auch so, wenn Sie vier bis fünf Jahre nicht mehr fahrradfahren, dann müssen Sie das ja völlig neu üben. Also ich mußte neulich mal nach vier bis fünf Jahren, mußte ich mal freihändig die Drosselgasse runterfahren. Das war also `ne kleine Expedition. Aber, aber neulich wußte ich nicht mehr, wie man einen Schlips bindet, ich hatte monatelang keinen Schlips mehr getragen. Ich hab links angefangen, ich hab rechts  angefangen. Ich hab die Hände, ich hab die Bewegung meiner Hände im Spiegel verfolgt, war alles seitenverkehrt. Dann hab ich versucht, den Knoten im Freien einzufädeln, wollte den Schlips übern Kopf ziehen, völlig sinnlos. Dann habe ich den Schlips in die Ecke geschmissen. Dann hat mich der Ehrgeiz wieder gepackt, und da habe ich den Schlips, den habe ich dann, schließlich habe ich´s dann doch noch geschafft. Aber es ist dennoch nicht gutgegangen, weil, als ich den Gordischen Knoten endlich fest zugezogen hatte, da mußte ich feststellen, daß der untere Teil des Schlipses viel zu lang war. Sie kennen das sicher auch. Also, ich den Knoten wieder auf,  das richtige Längenverhältnis hergestellt. Immer noch zu lang. Wieder den Knoten auf. Inzwischen fing der obere Teil des Schlipses schon langsam an zu knittern. Meine Frau murmelte was von „umsonst gebügelt“, und sie sagte dann noch leichtsinnigerweise: „Steck doch einfach den unteren Teil in eine Hemdöffnung zwischen zwei Knöpfe“. Und das finde ich ja abscheulich! Zwischen zwei Knöpfen! Ich bin doch nicht Napoleon, da kommt denn diese Handbewegung her: Zwischen zwei Knöpfen! Das könnte ein Urlaubsort im Berner Oberland sein, zwischen zwei Knöpfen. Das ist ja, wenn Sie mal von Interlaken aus aufs Jungferjoch hochmüssen, da müssen Sie ja erst mal in Lauterbrunn umsteigen, und dann in zwei Lütschinen, dann kommen Sie auf die kleine Scheidegg dann kommen Sie später nach Wengen und Murten, und genau dazwischen könnte „Zwischen zwei Knöpfen“ liegen. Na, ich hab´s dann schließlich doch mit dem Schlips geschafft, daß alles so einigermaßen wie sagt man heute so gerne deckungsgleich aussah. Und dann sagte meine Gute: „Ich glaube, so kleine Knoten trägt man heute nicht mehr“.  Und da - da bin ich wahnsinnig geworden! Da bin ich wahnsinnig geworden! Bin stumm auf den Balkon gegangen so als wollte ich runterspringen. Habe ich natürlich nicht gemacht, wegen eines Schlipses, ich bitte Sie! 



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Meine Geschichten" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnungen stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.
Redaktion: Frank Becker