Bankräuber

von Hanns Dieter Hüsch

Foto © Paul Maaßen
Bankräuber

Ich habe ja immer eine Vorliebe für das Wort, für die Frage „Wie bitte?“ gehabt. Warum, weiß ich auch nicht so genau. Jedenfalls, wenn man „Wie bitte?“ sagt, muß der andere doch dann seine Frage wiederholen, oder das, was er gesagt hat, nochmal sagen. Und ich hab ja auch `ne große Vorliebe für Wiederholungen. Manchmal sag ich ja auch, auch wenn ich genau verstanden hab, was der andere gesagt hat, „wie bitte?“, um Zeit zu gewinnen, für `ne gute Antwort, für `ne Ausrede, oder einfach, weil ich die Frage gerne nochmal hören würde, oder auch, um mein Gegenüber zu verunsichern. Denn niemand, das können Sie mir glauben, und da können Sie mir sagen, was Sie wollen, niemand fragt gern zweimal. Und ganz besonders nicht Bankräuber. Da muß das ja ganz schnell und ganz unauffällig gehen. Ich meine, ich hab das noch nie gemacht, aber ich stelle mir das so vor: Schnell und unauffällig, und auch, wenn keine Schlange am Schalter hinter mir steht. Also, da geht es schon um Bruchteile von Sekunden, und dann noch die Aufregung. So `n Bankräuber macht das ja auch nicht alle fünf Minuten, und er kann das ja auch nicht üben. Sagen wir mal, vorher bei einer anderen Bank. Und wenn man das zum ersten Mal macht, kann ich mir schon vorstellen, und wenn er noch jung ist, daß dem dann der Hintern mit Grundeis geht, da muß der Kassierer oder die Kassiererin schon hellhörig sein, oder auch nicht!
Da hat neulich, ich weiß gar nicht mehr wo, ein Bankräuber mit der Pistole, vielleicht war es auch nur ein Stück Holz mit einem Tuch drüber, zu einer halbtauben Kassiererin gesagt, als die Luft rein war: „Dies ist ein Überfall!“ Und die Kassiererin antwortete: „Wie bitte? Können Sie das noch einmal sagen?“ Darauf sagte der Bankräuber wieder: „Ich sagte: Dies ist ein Überfall!“ Darauf sagte die Kassiererin: „Lauter bitte, lauter, ich verstehe absolut nichts!“ Also, ich möchte nicht in der Haut des Bankräubers gesteckt haben. Aber was blieb ihm anderes übrig, er wiederholte seinen Satz zum dritten Mal: „Dies ist ein Überfall! Zum Donnerwetter!“ Und erst, als die Kassiererin ihn auch beim dritten Mal nicht verstanden hatte, gab der Bankräuber auf und ging seiner Wege. Tja, so kann´s gehen. Wer hätte das gedacht. Da nützen manchmal die schärfsten Alarmsirenen nichts. Da werden die dicksten Tresore geknackt, und die tollsten unterirdischen Gänge gebuddelt, das kann man ja immer wieder im Fernsehen zwischen der Werbung bewundern, und es klappt. Die Gangster kommen zumindest heil aus der Bank, wie´s dann weitergeht, geht keinen was an. Aber da kommt so eine kleine halbtaube Bankangestellte daher und sagt einfach: „Wie bitte? Ich verstehe Sie nicht!“ Und das dreimal. Und der Gangster gibt völlig fassungslos auf. Ob se den dann gefaßt haben, weiß ich gar nicht. Aber der war ja eigentlich schon bestraft genug und hat wahrscheinlich zu Hause von seiner Familie noch Haue gekriegt. Na gut, beim nächsten Mal wird eben der Bruder geschickt.
 
 

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Meine Geschichten" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Das Foto stellte freundlicherweise Paul Maaßen zur Verfügung.
Redaktion: Frank Becker