Vor 195 Jahren wurde Gottfried Keller geboren

von Frank Becker

Gottfried Keller - Karl Stauffer-Bern pinx.
Gottfried Keller (* am 19. Juli 1819)

Am 19. Juli 1819
, also vor 195 Jahren wurde der Schweizer Dichter Gottfried Keller in Zürich geboren.
Durch seine packenden Gedichte, großen Romane und Erzählungen
"Kleider machen Leute", "Der grüne Heinrich", "Die Leute von Seldwyla", "Romeo und Julia auf dem Dorfe", "Martin Salander", "Sieben Legenden" u.a.m. avancierte der zum bis heute in allen deutschsprachigen Anthologien und Schulbüchern vertretene Autor zum Nationaldichter der Schweiz.
Seine Briefwechsel mit Theodor Storm, Conrad Ferdinand Meyer, Paul Heyse, Ferdinand Freiligrath, Hermann Hettner, Adolf und Marie Exner, Karl Dilthey, Friedrich Theodor Vischer u.a.m. sowie die Keller-Biographie von Adolf Frey zeichnen ein lebendiges Bild des ewigen Hagestolzes, der 1890 starb.
Davon, daß er in seinen guten Jahren ein durchaus angenehmes und sinnenfrohes Leben geführt hat, zeugen nicht nur Erzählungen seiner Zeitgenossen und seine eigenen köstlich selbstironischen Briefe. Zwei davon und eine Erinnerung von Adolf Vögtlin möchten wir Ihnen zur Erinnerung an den volkstümlichen Autor
vorlegen.

Adolf Vögtlin erzählt in seinen Keller-Anekdoten: "Als Keller eines Abends mit Freund Baumgartner gemütlich beim Schoppen saß, ließ ihn der auf sein Gedicht "Rosenglauben" an und fragte ihn kritisch: "Nun sag mir, bitte, doch einmal: was hast du dir eigentlich bei dem schönen Kehrreim ‚solange die Rose zu denken vermag, ist niemals ein Gärtner‛ gestorben, denn nur gedacht?" - "Du Narr", sagte Meister Gottfried, "Als ob unsereiner das selber wüßte!"

Gottfried Keller an Marie Exner
(Zürich, 16. Dezember 1872):

"Höflichen und herzlichen Dank für die zwei Bilder, die mir Herr Dilthey gestern abend gab. Bis zu diesem Augenblick, das heißt seit Monaten,hatte ich in Zucht und Ehre gelebt.
Gestern tranken wir zwei nun folgendes: 
8 Glas Bier
2 Schoppen Wein
2 Flaschen Wein 2 Gläser Grog

2 Wiener Schnitzel (Dilthey)
1 Blumenkohl (idem)
1 Hasenbraten (ich) 2 Brot (beide)
1 Kartoffelsalat (ich)
1 Käs (Dilthey)
1 Butter (idem)

1 Brot (idem)
macht 24 Einheiten, die wir zusammen verschlangen.

Als Dilthey meinen schönen Hasenbraten sah, wollte er auch welchen haben, es war aber keiner mehr da. Ich bot ihm den meinigen an gegen Abtretung der Wiener Schnitzel. Da wurde er mißtrauisch und behielt sie.
Heut´ hab ich etwas Katzenjammer; als ich um neun Uhr aufstand und die Photographien besah, machte ich ein zwinkerndes Gesicht, wie eine alte Eule, die an einem hellen Morgen aufs Meer hinausschaut. (...)

Dilthey ließ ich gestern nachts beim Heimgehen immer drei Schritte voraus marschieren, damit er mir nichts Böses nachsagen könne bezüglich meines Wandels; tut er es dennoch, so glauben Sie es nicht!

Nun wünsche ich Ihnen und Ihren Herrn Brüdern, die ich grüße, dankbarlichst ein glückliches und frohes Weihnachts- und Neujahrswesen und verbleibe Ihr ergebener
G.Keller"

Gottfried Keller an Karl Dilthey
(Zürich, 13. Januar 1873)


"Als ich den Exnerschen für das bewußte Freßkörbchen dankte, hatte ich aus Dummheit geschrieben, ich hätte es sofort ganz ausgefressen. Diese Renommage hat mir heute beiligende Episten eingetragen, aus welchen Sie ersehen, daß Sie nächstens einmal zu mir kommen müssen. Gott sei Dank, ewiglich, daß ich mich wenigstens halb reinwaschen kann. Ich denke mir die Sache so, daß wir uns mittels Einnehmens des kalten Imbisses und etwa zwei Flaschen Weins einen schönen Bierdurst anschaffen und alsdann in den "Gambrinus" oder so wohin gehen, um denselben zu löschen. An einer späteren Bewirtung von mehreren Köpfen studiere ich auch herum..."

Adolf Vögtlin (1861-1947), Gymnasiallehrer, Redakteur, Schriftsteller, Verfasser historischer Romane
Gottfried Keller (1819-1890), Lyriker, Romancier, Novellist, einer der größten deutscher Sprache
Karl Dilthey (1839-1907) war 1870-1877 Professor für Archäologie an der Universität Zürich.
Marie Exner, verh. von Frisch (1844-1925), lebte damals bei ihrem Bruder Adolf Exner in Zürich
Adolf Frey (1855-1920), Schriftsteller und Literaturhistoriker, Biograph Kellers und C.F. Meyers