Ich war beim Friseur

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz

Ich war beim Friseur
 
Also, die meisten von Ihnen haben ja noch volles Haar, beneidenswert. Oder gar keine Haare mehr, noch beneidenswerter. Ich habe mehr so ein Mittelding. Teilweise gar nix mehr und teilweise noch ganz schön. Und zwar so, daß, wenn man das verteilen könnte, immer noch ganz schön was zusammenkäme. Zwar ein bißchen dünner, aber immerhin überall. Mit den Zähnen ist das ja fast ähnlich, obwohl man da nix mehr verteilen kann. Am besten, sag ich ja immer: Alles raus, hasse keine Last mehr damit. Aber mit den Haaren ist ja folgendes los, auch wenn es nur noch ganz wenige sind. Die Haare findet man ja noch nach drei Jahren wieder. Also, wenn ich zum Friseur geh, oder besser gesagt, wenn ich beim Friseur war, das merkt man noch nach zwei Wochen oder sogar noch nach drei Monaten. Gucken Se mal, ich hab ja diesen kurzen Bart, und dann noch weiß, und der Haarkranz auch. „Ich brauch gar keinen Lorbeerkranz“, sag ich immer, „ich hab ja meinen Haarkranz. Kleiner Scherz“. Aber es geht um folgendes: Wenn ich mir also den Haarkranz und den weißen Bart schneiden laß, ich trag ja mein Haar heutzutage ziemlich kurz, früher hab ich ja die Haare ziemlich unziemlich, eine Zeitlang bis auf die Schultern getragen. Aber seit einiger Zeit schön propper und adrett, also kurz. Also erst gewaschen, mit dem Kopf rückwärts in das Becken, aber da schlaf ich meistens schon. Aber, wenn dann die Haare alle ordnungsgemäß geschnitten sind, hinten immer noch mit langem Übergang, da leg ich Wert drauf, langer Übergang. Und wenn dann alles geschnitten ist, dann bin ich, trotz diverser Tücher und Umhänge, total übersät von all den kleinen weißen Haarspitzen, Sie können sich das nicht vorstellen, und wir nehmen uns so in acht, der Schnitter und ich, nix. Überall diese weißen Widerhaken, denn die sind ja sowas von widerborstig, meine kleinen weißen Haarspitzen, besonders die vom Bart. Und überall bin ich am Zumpeln und am Zupfen. Ich meine, ich bin ja auch sonst immer dabei, alle Plusen und Flusen überall wegzumachen, auch bei wildfremden Menschen. Da geh ich oft einfach drauf zu und sag: „Erlauben Sie, ich muß Ihnen das Haar da wegnehmen, das stört mich schon die ganze Zeit, nee.“ Ich bin ein Plusen- und Plüschen-Sammler, deshalb heiß ich ja auch bei meiner Frau Plautzius Plusius, erstens weil ich `ne Plautze hab und zweitens wegen der Plusen. Ja, und die kleinen Haarspitzen, die gehen dann monatelang nicht weg, nicht raus, sitzen überall fest. Da kann man bürsten und schrubben und machen und tun, nix. Auf `m Pullover, auf `m Schal, im Hemd, sogar in `ne Unterbux, in den Strümpfen. Dat is wie nach so `nem Karnevalsball, da find man ja das Konfetti auch noch nach zwei Jahren in der Ringelsocke und sagt sich dann ganz lyrisch: „Weißte noch weißte noch.“ Aber von meinen Haaren, da möcht ich dann wirklich nix mehr von wissen!    
 
 
 
 
© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Meine Geschichten" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnungen stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.
Redaktion: Frank Becker