„Inspiration Japan“ im Folkwang-Museum Essen

Der Japonisme in der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts

von Andreas Rehnolt/Red./Bec.

Vincent van Gogh, Sämann bei Sonnenuntergang, bearb.

„Inspiration Japan“ im Folkwang-Museum Essen
 
Die Ausstellung widmet sich einem der faszinierendsten Kapitel
der französischen Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
 
 
...als Silhouette haben sie schon alle überall gesehen.
Jedermann hat schon eine dieser Malereien auf Porzellan oder auf Seide betrachtet,
die unsere heutigen Läden überfüllen, jedermann kennt diese hübsch
geschmückte Haartracht auswendig …, diesen hinten zu einem enormen Polster
geknoteten Gürtel, diese breiten, nach unten fallenden Ärmel …“
(Pierre Loti, Madame Chrysanthème, 1888)
 
 
Mit der Ausstellung „Monet, Gauguin, van Gogh … Inspiration Japan“ widmet sich das Museum Folkwang in Essen seit dem vergangenen Wochenende einem der faszinierendsten Kapitel der französischen Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Fokus der bis zum 18. Januar geplanten Präsentation liegt dabei auf dem Zeitraum von 1860 bis 1910, der Anfangs- und Hochphase der Rezeption japanischer Kunst in Frankreich. Erstmals seit mehr als fünfundzwanzig Jahren wird der sogenannte Japonisme damit Thema einer facettenreichen Ausstellung.
Die japanische Kunst ist für die Entwicklung der europäischen Moderne von grundlegender Bedeutung, so die Aussteller zum Auftakt der Schau. Nahezu alle großen Meister, von Claude Monet über Vincent van Gogh bis hin zu Pierre Bonnard haben sich von japanischen Bildmotiven und Stilmitteln begeistern und inspirieren lassen. Selbst Henri Matisse und Pablo Picasso hatten noch im 20. Jahrhundert ein großes Interesse an Japan. Ihre Faszination zeigt sich in vielerlei Hinsicht, betonte Kuratorin Sandra Gianfreda.
Die Künstler stellten aus Japan importierte Kunst und Gebrauchsgegenstände in ihren Werken dar, übernahmen japanische Bildsujets für die Darstellung ihrer eigenen Umwelt und – weit folgenreicher – sie verinnerlichen die Bildsprache des japanischen Holzschnitts. Gerade diese Verinnerlichung führte die Künstler in Verbindung mit der eigenen Bildtradition und den Erfahrungen ihrer Zeit zu einem schöpferischen Prozess, aus dem sie vielfältigste Ausdrucksformen entwickelten, die weit ins 20. Jahrhundert hinein nachwirkten, so Gianfreda.
 
 
„Was Hokusai betrifft, ...
...so ist er einer der größten Maler seiner Nation.
Von unserer europäischen Warte aus gesehen, ist er sogar der Größte, der Genialste…
Der Name Hokusai ist der erste Künstlername, der die Meere überquert hat…“
(Der Historiker Louis Gonse, 1883)
 
 

Katsushika Hokusai - Die große Welle (Ausschnitt)

Die Ausstellung präsentiert die verschiedenen Arten der Auseinandersetzung mit Japan anhand von Hauptwerken der wichtigsten Künstler jener Zeit aus internationalen Museen und Privatsammlungen. Neben Gemälden und Druckgrafiken in Frankreich tätiger Künstler wie Paul Gauguin, van Gogh, Pierre Bonnard, Edouard Vuillard und Monet ist auch eine repräsentative Auswahl an japanischen Holzschnitten hauptsächlich von Utagawa Hiroshige, Katsushika Hokusai und Kitagawa Utamaro zu sehen.
Von van Gogh wird unter anderem ein Bild gezeigt, das eine Frauenfigur am Seerosenteich zeigt. Auch seine Rhone-Barken fehlen nicht und auch nicht das Bild „Sämann bei Sonnenuntergang“, das er 1888 in der Provence mit Gedanken an japanische Helligkeit und Himmelsfarben malte. Mit diesem Gemälde wirbt das Museum Folkwang für die sehenswerte Ausstellung. Von Renoir ist das 1871 geschaffene Ölbild „Stilleben mit Bukett und Fächer“ zu sehen, von Paul Gauguin gibt es das „Stilleben mit Zwiebeln“, in dessen rechtem Bildrand ein japanischer Frauenkopf auftaucht, ebenso von Gauguin das Ölbild „Blaue Bäume“, das ohne den Bildaufbau, die Flächenbehandlung und die Farben der japanischen Holzschnitte „nicht denkbar“ wäre, so die Aussteller.


Utagawa Hiroshige - Pflaumen (Ausschnitt)

Die Schau zeigt zudem Vasen, Bücher, Geschirr und andere kunstgewerbliche Gegenstände, die nach der Öffnung Japans im Jahr 1954 Europa förmlich überschwemmten und dafür sorgten, daß „das Japanische“ plötzlich „in“ war. Interessant auch die zahlreichen Fotografien aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, die Geishas, Ganzkörper-Tätowierte, Schirmmacher, Blumenverkäufer oder Parkszenen zeigen. Auch gut 100 Jahre alte Illustrierte und Tierzeichnungen sind in der Ausstellung zu bewundern.
 
„Auf diesem Gewässer...
...hat er (Monet) Seerosen in Hülle und Fülle verstreut. Die Blätter breiten sich in der Fläche aus und zwischen ihrem Grün blühen die Blumenkronen dieser schönen Wasserpflanze in Gelb, Blau, Blasslila und Rosa. Ein grüner Steg, in Bogenform, in dessen Nähe hat Monet seine Staffelei aufgestellt. Weiden, Zitterpappeln mit lichtem Blattwerk. Und vor allem, am Ufer dieses kleinen Gewässers, Hunderte von Blumen, Gladiolen, Iris, Rhododendron, braun gefleckte Lilien von seltenster Art. Das Gesamte bildet weniger ein grandioses als ein schönes Dekor, ein Traum vom Fernsten Osten.“
(Der Kunstkritiker Louis Vauxcelles über Monets Garten in Giverny, 1905)
 
 

Paul Cezanne - Provence
 
Natürlich fehlen auch nicht die alten japanischen Meister, nach deren Kunstwerken sich van Gogh, Gauguin, Renoir, Tissot und viele andere Künstler richteten. Kleine Kunstwerke etwa von Hokousai und Hiroshige zeigen Szenen von Prozessionen, aus Parks, Masken oder Landschaften. Wunderschön etwa der Farbholzschnitt „Schönheit, einen Insektenkäfig haltend“ aus dem Jahr 1767 von Suzuk Haxunobu und selbstverständlich das Bild „Boot in Riesenwelle“ von Katsushika Hokusai (1760-1849) mit dem Berg Fuji im Hintergrund.
Monets von japanischen Zierteichen beeinflußten Seerosenteichen aus seinem Garten sind in der Schau ebenso zu finden, wie sein „Chrysanthemenbeet“ aus dem Jahr 1897 oder Plakate von Toulouse-Lautrec und Pierre Bonnard. Eines der farbigsten Bilder ist ganz sicherlich das Bild „Fächer und Stoffe“ von James Ensor aus dem Jahr 1906. Annähernd vierhundert Objekte verschiedenster Kunstgattungen treten für die Zeit dieser Ausstellung in einen inspirierenden Dialog.
 
Das Museum Folkwang hat selbst früh begonnen, japanische Kunstobjekte zu sammeln und sie mit Artefakten anderer nichteuropäischer Kulturen im Kontext mit westlicher Kunst zu präsentieren, betonte Museumsdirektor Tobia Bezzola zum Auftakt. Als Japonaiserie bezeichnete Vincent van Gogh seine malerische Umsetzung eines japanischen Holzschnittes, der 1886 auf dem Umschlag der Zeitschrift „Paris illustré“ abgebildet war. Van Gogh plazierte die Kurtisane als Bild im Bild vor dem Hintergrund eines Seerosenteichs, in dem sich Kraniche und Kröten tummeln. Er besaß den Holzschnitt mit Kurtisane von Eisen zwar nicht, so doch das Blatt von Yoshimaru II, dem er das Motiv der Kröte entnommen hat. Van Gogh kreiert hier seine eigene Vorstellung von Japan.


Vincent van Gogh - Japanerin
 


Anonymer Fotograf, Japan, 19. Jhdt.


Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10 bis 20 Uhr sowie freitags bis 24 Uhr geöffnet.
Weitere Informationen:  www.inspiration-japan.de  
 
Redaktion: Frank Becker