12 Monate mit dem Tanztheater Pina Bausch

Jochen Viehoff stellt im Kalender 2008 drei jüngere Stücke der Tanzcompagnie vor

von Anne-Kathrin Reif

© Jochen Viehoff

Im Fluß der Bewegung


Seit mehr als zehn Jahren begleitet Jochen Viehoff fotografisch die Arbeit  des Wuppertaler Tanztheaters Pina Bausch. In einem Bildband und  mehreren Kalendern hat er dies dokumentiert - stets auf seinen eigenen subjektiven Blick vertrauend. Für seinen neuen Kalender 2008, erschienen wiederum im Wuppertaler Verlag HP Nacke, hat Viehoff ausschließlich Szenenbilder aus den jüngeren Stücken Ten Chi (2004), Vollmond (2006) und dem neuen, immer noch namenlosen "Indien"-Stück von 2007 zusammengestellt.

Ganz analog zu den Stücken, in denen die Soli der verschiedenen Tänzerinnen und Tänzer breiten Raum einnehmen, rückt  auch Viehoff die Darsteller häufig solistisch in den Mittelpunkt. Mitten in der wirbelnden Bewegung, mit fliegenden Haaren, fängt Viehoff  Azusa Seyama in "Ten Chi" ein,  ebenso auf der überfluteten Bühne in "Vollmond".  Regina Advento tanzt im feuerroten Kleid in "Ten Chi" vor der Walfischflosse unter schneerieselnden Flocken (im Juli, nicht etwa im Dezember). An Dynamik kaum zu übertreffen ist die Aufnahme des völlig durchnässten Jorge Puerta Armenta im Bühnenregen von "Vollmond". Es sind vor allem diese Bilder, die vorführen, worin die hohe Kunst der Tanzfotografie besteht: Es gilt, den entscheidenden Moment des größten Ausdrucks schon vorauszuahnen, die Pose schon zu erfassen, während sie noch im Entstehen begriffen ist. Drückt der Fotograf erst dann auf den Auslöser, wenn sie sich zur Gänze entfaltet hat, ist es zu spät; ist der flüchtige Moment schon

Szene aus "Vollmond" - mit Jorge Puerta Armenta
September 2008 - Foto © Jochen Viehoff
aufgegangen im Fluß der Bewegung. Jochen Viehoff hat  fraglos ein ausgeprägtes intuitives Gespür für diesen entscheidenden Moment. So gelingt es ihm, einzelne Bilder festzuhalten, die sich dem Zuschauer im Theatersaal niemals dauerhaft so hätten einprägen können. Durch seinen Blick löst Viehoff sie gleichsam aus dem Stück heraus, verleiht ihnen Eigenständigkeit. Eine gewisse Autonomie vom Bühnengeschehen behaupten die Fotografien auch durch ihre eigene, spezifische Ästhetik. Auffällig ist dies besonders in der Behandlung der Farbe. Die teils überbordende Farbigkeit der Bausch-Bilder gibt Viehoff nur sehr reduziert wieder, setzt vielmehr den Schwerpunkt auf farbarme Szenen mit scharfem Hell-Dunkel-Kontrast und wenigen leuchtenden Akzenten. Horizontale, Vertikale, Diagonale bestimmen klar erkennbar den Bildaufbau und schaffen eine Art Dramaturgie im Ablauf der zwölf Monatsblätter.

Das Jahr 2008 endet ganz gelassen mit vier schönen Frauen in farbigen Abendkleidern, die im "Indien"-Stück wie heilige Kühe wiederkäuend auf dem Boden lagern - eine hinreißende Szene, an die man sich gern erinnern läßt. So fungieren die Fotografien einerseits als Auslöser des Films im eigenen Kopf und fügen sich in erinnerte Abläufe ein - und stehen einerseits für sich selbst, als eigenständiges Kunstwerk. Eine heikle Balance, die Jochen Viehoff einmal mehr gelungen ist.

Jochen Viehoff: "2008 • Pina Bausch Tanztheater Wuppertal", 34 x 48 cm, 12 Monatblätter + Deckblatt, ISBN 3-9808059-8-0, 16,90 €
In jeder Buchhandlung oder dirket beim Verlag: HP Nacke, Friedrich-Engels-Allee122, 42285 Wuppertal, Tel. 0202-281040, E.-Mail verlag-hpnacke@gmx.de

Weitere Informationen unter:www.jochenviehoff.de