Sandmann, lieber Sandmann ...

Das DFF-Sandmännchen feiert heute seinen 55. Geburtstag

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
Charmanter Abendgruß

Das DFF-Sandmännchen
feiert heute seinen 55. Geburtstag
 
„Sandmann, lieber Sandmann,
es ist noch nicht soweit!
Wir sehen erst den Abendgruß,
ehe jedes Kind ins Bettchen muß,
du hast gewiß noch Zeit.“
 
Die Geschichte des freundlichen Sandmännchens, das am Abend in die Häuser zu den Kindern kommt, um ihnen mit einer kleinen Geschichte das Zubettgehen zu versüßen, ist, so kurios es klingen mag, auch eine höchst politische Geschichte aus dem deutsch-deutschen Nebeneinander. Von seinem ersten Auftreten im DFF auf den Fernsehschirmen Ost am 22.11.1959 und auf den Fernsehschirmen West beim SFB am 1.12.1959 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 tummelten sich nämlich zwei der kleinen Traumbringer in den TV-Kanälen der feindlichen Brüder. Das lag ganz einfach daran, daß Johanna Schüppel die liebenswerte Figur in den 50ern in der DDR erfunden hatte, aber dem kommunistischen Staat 1958 den Rücken kehrte. Gemeinsam mit Ilse Obrig, Chefin des Kinderfunks des Senders Freies Berlin (SFB), entwickelte sie die Figur zur Trickfilmreife. Und hier wird es spannend: die wie man sieht alles umfassende Spionagetätigkeit der DDR erstreckte sich natürlich auch auf Rundfunk und Fernsehen - und als im ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden ruchbar wurde, daß die beiden Damen (auch Ilse Obrig hatte Jahre zuvor die Ostzone verlassen) aus dem bis dahin durch das Radio bekannten und beliebten Abendgruß des Sandmännchens eine Fernsehfigur machen würden, setzten die Staatsorgane Ost alle Hebel in Bewegung, um dem Klassenfeind auch in den Kinderzimmern zuvor zu kommen.

Gerhard Behrendt, Harald Serowski und Wolfgang Richter schafften im Auftrag des Deutschen Fernsehfunks das Unmögliche - noch vor der West-Premiere das Ost-Sandmännchen in den Flimmerkasten zu bringen. Ein Handstreich. Und ebenso im Handstreich eroberte der kleine Kerl mit Zipfelmütze, damals noch ohne Bart, die Herzen von Groß und Klein. Der kaum weniger sympathische im Westen eine gute Woche später übrigens ebenfalls. Doch nur das das  Ost- Sandmännchen hat die deutsche Wiedervereinigung unbeschadet überstanden, seine Melodien sind noch immer präsent und verheißen bis heute eine heile Welt. Im Osten zur Zeit des Kalten Krieges übrigens auch gerne mal idealisiert mit einer Botschaft aus dem sozialistischen Lager verknüpft. Doch das ist lange her.
Mittlerweile kennen und lieben Kinder (und Erwachsene) im ganzen Land den kleinen Kerl, der mit den phantasievollsten Fahrzeugen oder Beförderungsmitteln am Abend zu den Kindern kommt, bevor sie zu Bett müssen und ihnen in eine Rahmenhandlung eingebettet noch einen kurzen, humorvollen Film zeigt, in dem der Kobold Pittiplatsch, die Ente Schnatterinchen und der Hund Moppi, mit Herrn Fuchs, Frau Elster, Mauz und Hoppel lustige wie lehrreiche, pädagogisch durchaus wertvolle Geschichten erleben. Das völlige Fehlen von Gewalt oder häßlicher Sprache tut ausgesprochen wohl.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands hat sich auf den deutschen Fernsehkanälen das Sandmännchen Ost als das offenbar liebenswertere durchsetzen können – es wird noch heute am Abend gesendet und ich gestehe gerne, daß auch ich dem Charme des kleinen Kerls, seiner Sendung und den von Wolfgang Richter komponierten zauberhaften Eröffnungs- und Schlußmelodien mit dem Text von Walter Krumbach verfallen bin. Denn: warum eigentlich nicht einmal am Tag „Heile Welt“ spielen. Es wird unseren Kindern und Enkeln vom Fernsehen soviel Dreck um die kleinen Ohren gehauen, daß eine Oase wie das Sandmännchen dringend nötig ist.
 
„Kinder, liebe Kinder,
es hat mir Spaß gemacht!
Nun schnell ins Bett und schlaft recht schön,
dann will auch ich zur Ruhe gehn,
ich wünsch’ euch Gute Nacht.“
 
Weitere Informationen: www.sandmaennchen.de  (Ost)  und  www.tv-nostalgie.de/  (West)
Hier ein paar 
Filme: www.youtube.com/