Ein langsamer Abschied

Erwin Uhrmann – „Ich bin die Zukunft“

von Frank Becker

Ein langsamer Abschied
 
Sebastian Leitner, verheiratet, Mitte 30, sieht eines Tages den Sinn des Sprechens nicht mehr, er stellt es ein, verläßt ohne Abschied Haus und Ehefrau Hanna und begibt sich mit leichtem Gepäck, ein wenig Geld in der Tasche, auf den Spuren seiner Kindheit in die Berge. Sein Ziel ist die Hütte in einem Hochtal, die er vor Jahrzehnten mit seinem Vater besucht hat. Einen durchdachten Plan hat Leitner nicht, doch er findet den Weg und das Haus, das jetzt von der Witwe Dora Kortschacher allein bewirtschaftet wird. Er will vier Wochen  bleiben, aber es werden nach einem halbherzigen Abschied und  der Rückkehr in diese einzigartige Zuflucht Jahre ohne konkrete Zahl in einer sich radikal verändernden Welt daraus. 
Als Dora nach Jahren stirbt, bricht für Leitner auch der letzte Kontakt zur Außenwelt ab. Während die sich verändernde Berglandschaft allmählich von jungen Wäldern überwuchert wird die Jahreszeiten sich für Leitner in seinen Lebensrhythmus bestimmende Sonnen- und Nasszeit ändern, geht offensichtlich die Welt „unten“ zugrunde. Leitners Hochtal, in dem er Ziegen und Hühner hält, Feldfrüchte anbaut und Vorräte anlegt, wird sein Garten Eden. Eines Tages taucht Mali, Doras Enkelin, mit ihrem Freund Ludovigo im Berghaus auf – Leitner erfährt, daß nach Klimaveränderungen und einem Bankenkollaps die sozialen Systeme der Welt zusammengebrochen, Anarchie und das schleichende Ende der Menschheit eingekehrt sind.
 
Erwin Uhrmann hat in der Tradition des Science-Fiction-Genres „Last Man on Earth“ einen brillanten kleinen Roman geschrieben, der trotz einiger logischer Brüche vor allem durch die Faszination der Stille fesselt. Uhrmann weiß diese Stille, den Rückzug Leitners in sich selbst, seine Gedankengänge und Erinnerungsschübe, den Überlebenswillen des Individuums bestechend zu erzählen. Parallel zum Schicksal Leitners, das er in wechselnder Erzählperspektive entwickelt, läßt Uhrmann sozusagen im Hintergrund durch Andeutungen die nebulöse Szenerie des Untergangs der Zivilisation entstehen, die er nur marginal „anfüttert“, damit der Leser mit Leitner im Unklaren bleibt, wie und ob das Schicksal der Menschheit besiegelt ist. Uhrmann inszeniert diesen langsamen, unausweichlichen Abschied hinreißend spröde, voller Spannung und Phantasie. Es ist nur eine der vielen Möglichkeiten, wie wir eines Tages enden könnten. Oder haben wir eine Zukunft?
 
Erwin Uhrmann – „Ich bin die Zukunft“
Roman
© 2014 Limbus Verlag, 175 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Lesebändchen - ISBN 978-3-99039-004-7
18,90 € (A/D)
 
Weitere Informationen:   www.limbusverlag.at