Phrasendresch am Gleis eins

„beaterMeyer“, das neue fanzine für schriftsprachkunst von GrIngo Lahr

von Wolf Christian von Wedel Parlow

Phrasendresch am Gleis eins
 
Zum „beaterMeyer“, dem neuen fanzine für schriftsprachkunst
von GrIngo Lahr - Gefüllt mit dies & das hoppa l’art
 
Eigenwillig will Lahr auch weiterhin sein, nicht nur mit wortschöpferischer Betitelung. So beginnt sein „frühlingsgedicht“ ganz unromantisch mit den Zeilen: „verbetriebungen im verzögerungsablauf / gleise in der person / automatenstandardstimmsprech / phrasenwarn & streikdresch /.“
Das Verfahren scheint einfach: Worte auseinanderreißen und neu zusammensetzen. Und dann schauen, was herauskommt. Es könnte etwas herauskommen, was bleibt. Man muß sich nur trauen. Lahr gehört zu denen, die sich trauen. Wie bald würde die Sprache stagnieren, wenn sich keiner mehr trauen würde. Der Lyrikfreund ist dennoch irritiert. Zum Trost streut Lahr Normalsprech ein: „kaum noch’n zuch pünktlich.“
 
Wortschöpfung ist nur eine Nebensache. Worum es geht, sind eher Sachen wie diese im selben Gedicht:
„und wenn die leute ständich / pc-betriebssysteme ändern müssen & aufm schmachtphon / rumwischen, kriegen sen filmwexel auch gar nich mit / kommse auch nich dazu / zu fragen ob unbewusst suggestiv die / historie upgedated wird /.“ Und in „undankbares pack!“ heißt es: „zu glatt nun die welt / plötzlich waffenluft / waren schon fast vernarbt / die kriegsverletzungen“. Sollte man nicht doch etwas dankbarer sein? „ist aber immer schön / wenn die menschheit einen / kurzen moment gewagt hat / aus der höhle zu lächeln“. Als wäre es der Dichter selbst, der da lächelt.
 
Reinste Naturlyrik hält im „Waldspaziergang“ nur kurz den Atem an: „Lächelnd hinter Bäumen / gönnen Verstorbengenannte mildes Licht / auf die wandelnden Vortoten“, dann stößt sie einen schon wieder „Zurück in die standby rasende Zeit“. Da stöhnt selbst Lahr: „So viele Themen. / Aber jetzt nur ein Leben. / Literatur tschö.“ Aber das geht nicht. Unaufhörlich muß der Dichter fragen: „Globalisierung: wer dahinter treibt sie voran? / Schuften unterm Gesellschaftsdeck, doch wer lenkt den Kahn?“
 
Irgendwann ist es dann aber doch genug. „Für einen Moment die / Bäume sprechen hören - / wach beim / Sein durch / Materie.“ Und die Einsicht: „Da alle sprechen, gibt es nichts zu sagen / … / Sie ist leise / die Stimme dessen, was tatsächlich ist. / Wie Pflanzen, die durch den Asphalt brechen.“
 
Der Lyrikfreund entdeckt viel beim Stöbern durch Lahrs fanzine, seinem „magazine for fans“, mehr als in diesem kurzen Durchgang schmackhaft gemacht werden kann. Er kann sich beraten lassen, worüber man schreiben kann, über eine Platzwunde an der Stirn der Freundin zum Beispiel oder über das Freihandelsabkommen TTIP, selbst wenn man eigentlich keine Lust dazu hat. Es lohnt sich jedenfalls, das Heft zu studieren und der Poesie beim Arbeiten zuzuhören. Denn „Die Poesie: / Leute, ihr haltet mich seit vielen Jahre für tot. Aber die Toten haben hier die meiste Arbeit.“
 
 
Zu beziehen ist das fanzine beim Autor selbst. Seine Anschrift ist zu erfahren über den Verfasser dieser Zeilen (wolf.christian.wp@gmail.com oder 0202-81708).