Cello-Delikatessen

Die vier Cellistinnen des Sinfonieorchesters Wuppertal

von Johannes Vesper

Foto  ©Johannes Vesper

Cello-Delikatessen
 
Daß Orchestermitglieder Kammermusik spielen, ist keine Selbstverständlichkeit, aber seit einigen Jahren geübte Praxis im Sinfonieorchester Wuppertal mit zunehmender Resonanz beim Publikum. Jetzt waren die vier Cellistinnen des Sinfonieorchesters (Christine Altmann, Jinjoo Jhon, Vera Milicevic, Karin Nijssen-Neumeister) mit einem vergnüglichen und vielversprechenden Programm zu hören. Georg Christian Wagenseils (1715-1777) Sonata III in C-Dur wurde ursprünglich für 3 Celli und Kontraba? geschrieben. Der Komponist des kaiserlichen Hofes zu Wien hat nicht nur der Kaiserin Maria Theresia das Klavierspielen beigebracht. Er gehörte zur Mannheimer Schule und seine Werke wurden damals in Paris, London und Den Haag gedruckt. Seine Sonata III ist ein flottes Entree, virtuose Wiener Frühklassik in einer damals wie heute durchaus nicht üblichen Besetzung. In den zwei Sätzen von Alexander Tansman (1897-1986), gesanglich im Adagio, rhythmisch vertrackt, virtuos, mit lebhaftem Pizzicato, Flageolett und mit Fuge im Allegro molto riscanto - welche Tempo-Angabe! - zeigen die Cellistinnen was in ihnen steckt. Technisch souverän und musikalisch empfindsam, überaus musikantisch schlagen sie die Zuhörer in den Bann. Der Komponist, geboren in Lodz, war mit Igor Strawinsky befreundet, was man seiner Musik gelegentlich auch an zu hören glaubt, lebte seit 1920 in Frankreich, konnte 1941 in die USA fliehen und hat viele Filmmusiken geschrieben. Julius Klengel 1859-1933), der jahrzehntelange Solocellist des Gewandhausorchesters (1881-1924), der berühmte Cellolehrer und Virtuose, bietet romantischen Wohlklang par excellence und eine unterhaltsame Humoreske mit nahezu ironischer Unterbrechung im langsamen Mittelteil derselben. Wilde, schräge Pizzicati beim Bossa nova, Händetrommeln auf dem Cello, Rumba für vier Celli: Hinreißender Schwung, der direkt in die Beine geht. Der Komponist Franz Haldenberg heißt eigentlich Franz Erhard Dimpfl und war Cellist der Münchener Philharmoniker, trat mit seinem Celloquartett zusammen mit Herbert Rosendorfer auf und komponiert als Pensionär diese effektvollen Stücke. Und die Bearbeitung der Asturias-Legende des Spaniers Issac Albeniz (1860-1909) kennt das Kammermusikpublikum und singt innerlich mit.
 
Nach der Pause boten die Cellistinnen - dann in zeittypischen reizvollen Kleidern und Frisuren - Schlager der 30er Jahre unter dem Motto: „Nur nicht aus Liebe weinen.“ Lieder von Liebe und Schmerz, Tonfilmmusik, womit man damals (hoffentlich) der tristen Realität mit Arbeitslosigkeit und sich anbahnenden politischen Katastrophen entkommen wollte. „Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen“, sentimental mit schwankendem Rhythmus, Tremolo-Herzflimmern, trotzig, melancholisch, ironisch: so spielen sie sich in die Herzen der gerührten Zuhörer, und die Grenzen zwischen E- und U-Musik schwinden. Und der Juliska aus Budapest mit ihrem Herz voll Paprika kann zuletzt nichts Besseres passieren als von diesen Cellistinnen mal wieder erweckt zu werden. So ging, humorig moderiert von Hartmut Müller, ein unterhaltsamer, genüsslicher, musikalisch anspruchsvoller Kammermusikabend zu Ende. Rosen und Sekt vom Moderator, langer und anhaltender Applaus vom Publikum, ein schöner Abend.  
 
Die vier Cellistinnen des Sinfonieorchesters Wuppertal: Christine Altmann, Vera Milićević, Karin Nijssen-Neumeister, Jin Joo Jhon
Moderation: Hartmut Müller


Foto  ©Johannes Vesper