Das Matzenknödelspiel oder Der Geschmack von G´t

Thomas Meyers „Wolkenbruch“-Roman jetzt auch als Hörbuch

von Frank Becker

Das Matzenknödelspiel
oder
Der Geschmack von G´t
 
Thomas Meyers Roman jetzt auch als Hörbuch
 
Mordechai (Motti, Mottele) Wolkenbruch, Sohn von Judith und Moische Wolkenbruch, ein junger orthodoxer Jude aus Zürich, der mit den strengen Feiertags- und Lebens-Regeln seiner Religion, koscherem Essen, koscheren Gedanken und einer allmächtigen Mame im Rücken aufgewachsen ist und noch im Elternhause lebt, gerät auf Abwege. Während die Mame für den Studenten der Ökonomie eine passende jiddische Braut sucht und ihn in zahllose Kuppelverabredungen verstrickt, beginnt Herr Wolkenbruch jr. Die Welt außerhalb der jüdischen Gemeinde zu entdecken – und zwar in Form der schönen Mitstudentin Laura, bzw. ihres ansehnlichen tuches, was ein recht schönes Wort für den wohlgeformten Hintern der jungen Dame ist. Daß sie überdies rundum ansehnlich und ein Schwarm der männlichen Studenten ist, wäre ja kein Hindernis, aber sie ist, waj geschrien, eine Schickse, eine gojete. Eine Verbindung ist daher völlig ausgeschlossen. Und nicht zu vergessen, Motti hat bisher noch keine, nicht die kleinste Erfahrung mit Frauen.
 
Thomas Meyer, Insider der Zürcher jüdischen Gesellschaft, hat in seinem zauberhaften Roman alle und sämtliche Ressentiments, alle köstlichen Klischees und alle berührenden Erscheinungen der jüdischen Gemeinschaft zu einer temporeichen, humorvollen Geschichte verwoben. Großen Anteil am Genuß hat die jiddisch durchsetzte Sprache, die gelegentliches Nachschlagen im angehängten ausführlichen Glossar nötig macht, oft aber auch über das laut Lesen „geknackt“ werden kann. Meyer tut es nun auf vier CDs einer ungekürzten Lesung selbst und läßt die herrliche Kavalkade kurioser, nichtsdestoweniger realer Charaktere aufmarschieren, in der jüdischen Gemeinde ebenso wie in der nichtjüdischen studentischen Gesellschaft, der strahlender Stern besagte Laura ist. Man ist stets geneigt, sich ein Bild der Schönen zu machen und wie Motti für sie zu schwärmen.
Das macht Thomas Meyer so elegant, mit Chuzpe und liebenswertem Humor, gepaart mit dem unwiderstehlichen Charme des Jiddischen (man liest in der Tat oft laut, weil es die Situation einfach deutlicher macht), daß man schlichtweg beim Lesen nicht absetzen mag. Man schlüpft schier in Mottis Leben, begleitet ihn als sein Schatten durch seine Entwicklung, seine Hinwendung zum ein wenig gojischen Lebn, was natürlich der Sehnsucht nach Laura und ihrem göttlichen Tuches geschuldet ist. Wie es ihm auf diesem Weg ergeht, was aus dem Laura-Traum wird und was die Zahl 10 für eine Bedeutung bekommt, lesen Sie am besten selbst.
 
Dieses Buch ist alles: Entwicklungs-, Schelmen-, Abenteuerroman, Liebes- und Emanzipationsgeschichte. Und es bietet mit dem Mittel der Satire ganz wunderbare Ansätze zu einer aktuellen Auseinandersetzung mit der seit der größten Katastrophe ihrer Geschichte in Europa weitgehend im Stillen lebenden jüdischen Kultur und Religion. Es überdies das komischste, unterhaltsamste, bei aller Heiterkeit ernsteste, in unübertrefflicher Melancholie traurigste, sprachlich wertvollste und ob seiner feinen erotischen Zurückhaltung zugleich erotisch anspruchsvollste Buch der Saison. Unbedingt und vorbehaltlos zu empfehlen. Seit Timur Vermes´ „Er ist wieder da“ und Boris Johnsons „72 Jungfrauen“ habe ich einen so köstlichen Roman nicht wieder lesen dürfen. Chapeau! Dafür abermals meinen Dank und unsere Auszeichnung: den Musenkuß!
 
 
Thomas Meyer – „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“
Jetzt im oben empfohlenen O-Ton vom Autor selbst gelesen als Hörbuch zu haben:
(P) + © 2014 Diogenes Verlag, Ungekürzte Lesung auf 4 CD / Gesamtlaufzeit  287 Minuten – das beiliegende Begleitheft enthält ein Glossar der jiddischen Worte und Begriffe.
Hörproben → hier (auf der Heimseite von Herrn Meyer) www.herrmeyer.ch
 
Der Roman:
© 2014 Diogenes Verlag, 283 Seiten, Taschenbuch, Glossar - ISBN 978-3-257-86242-3
10,90 € / 16,90 sFr
 
Weitere Informationen: www.diogenes.ch