Zu weltweitem Ruhm genagelt

Günther Uecker feiert heute seinen 85. Geburtstag

von Andreas Rehnolt

Günther Uecker - Foto: Kunstsammlung NRW

Zu weltweitem Ruhm genagelt
 
Der Maler und Bildhauer Günther Uecker feiert heute seinen 85. Geburtstag
und ist nach wie vor mit seinen Kunstwerken in Sachen Menschenrechte aktiv
 
Von Andreas Rehnolt
 
Düsseldorf - 1983 veröffentlichte Günther Uecker sein Manifest „Die Kunst kann den Menschen nicht retten, aber mit den Mitteln der Kunst ist ein Dialog möglich.“ In diesem Manifest ruft Uecker, der heute am 13. März seinen 85. Geburtstag feiert, auch zur Bewahrung der Menschheit auf. Seit nunmehr 60 Jahren mischt sich der als „Nagelkünstler“ international bekannt und berühmt gewordene Maler und Bildhauer ins Heute und in die aktuellen Geschehnisse ein. Die Werke und Objekte befinden sich oft im Spannungsfeld zwischen Bedrohung sowie Zerstörung und Hoffnung auf eine humane Wirklichkeit.
 
Alle bedeutenden Museen der Welt haben Uecker in Ausstellungen gewürdigt. Aktuell läuft in der Kunstsammlung NRW K20 seiner langjährigen Wahlheimat Düsseldorf die Schau mit dem schlichten Titel „Uecker“. In der NRW-Landeshauptstadt, wo er nach seiner Ausreise aus der DDR 1955 bis 1958 bei Otto Pankok studierte und 23 Jahre lang Akademie-Studenten unterrichtete, hatte Uecker 1960 auch seine allererste Einzelausstellung. Inzwischen gibt es kaum ein Land der Welt, wo er nicht ausgestellt hat. Allein sein Werkporträt „Der geschundene Mensch“, in dem es um sein Lieblingsthema der Verletzung des Menschen durch den Menschen geht, war in nahezu 60 Ländern zu sehen, zuletzt auf Kuba.
 „Mein Thema ist Leben und Tod“, sagt der 1930 in Wendorf (Mecklenburg-Vorpommern) geborene Uecker über seine Kunst. Von diesem Spannungsverhältnis lebt seine gesamte Arbeit. Der Mann, der sich im wahrsten Sinne des Wortes zu weltweitem Ruhm genagelt hat, nutzt in seinen Werken die für ihn typische Formensprache - etwa mit Holzlatten, Leinentüchern, Nägeln, Steinen, Asche, Sand oder Schriftblättern. Es gehe ihm mit seiner Kunst auch darum, „Vorurteile zu überwinden, um Erfahrungen zu machen, die uns weiter bringen“, sagte er kürzlich zum Start seiner Ausstellung in Düsseldorf. „Der Mensch“, so Uecker, sollte sich „der Welt gegenüber so offen verhalten, daß er die Bereicherung erlebt.“
 
Genauso, wie seine Kunstwerke durch die ganze Welt reisen, ist auch Uecker ein Weltreisender. Nicht zuletzt in den asiatischen Ländern hat er sich nach eigenem Bekunden vielfach zu Werken inspirieren lassen. Etwa seit dem Jahr 1971 spielten für den stämmigen und groß gewachsenen Künstler fremde Kulturen sowie der interkulturelle Dialog eine immer größere Rolle. Seine Beziehung zu Nägeln geht zurück auf das Jahr 1945, als russische Soldaten in sein Heimatdorf kamen und er, aus Angst davor, daß sie seiner Mutter und seinen Schwestern etwas antun könnten, Fenster und Türen des elterlichen Hauses von innen mit Holzplatten zunagelte.
Zwölf Jahre später beim Kunststudium in Düsseldorf habe er dann den russischen Dichter Wladimir Majakowski gelesen. So wie der geschrieben habe, daß Poesie mit dem Hammer gemacht wird, „habe ich den Bleistift ins Papier getrieben“, so Uecker. Natürlich ist dem auf der Ostsee-Halbinsel Wustrow aufgewachsenen Künstler bewußt, daß der Nagel beides symbolisiert: Verletzung und Schmerz - man denke an die Passion Christi - aber auch Schutz. Wie beim Igel oder Stachelschwein recken sich die dicht gesetzten Nagelköpfe auf seinen Werken möglichen Angreifern entgegen.
 
Zur Kunst von Uecker gehört auch die Beschäftigung mit Religionen. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart 1999 stellte er seine Bildserie „Kann Fruchtbarkeit auf Asche gründen?“ aus. „Religion besitzt eine große Prägekraft für unsere Kultur“, sagte er vor etwa fünf Jahren anläßlich seiner Ausstellungseröffnung in Osnabrück. Dafür schuf er unter anderem vier Installationen, die Weltreligionen zum Gegenstand haben. Der Titel der Werkgruppe: „Friedensangebote“. Dazu hat Uecker auf lange weiße Tücher Passagen aus dem Koran, dem Neuen Testament und der Thora geschrieben, die gebieten, friedlich miteinander zu leben.
 
Für die Toten des Konzentrationslagers Buchenwald schuf er 1999 ein Steinmal. Die Skulptur steht im Keller der ehemaligen Häftlingskantine. Im Jahr 2000 erstellte er 14 Kreuze für die Ausstellung „Lost Paradise Lost“ in der Hannoveraner Aegidien-Kirche. „Auch wenn ich die Sprache des anderen nicht spreche und seine Glaubensinhalte nicht verstehe, ist Verständigung zwischen Kulturen und Religionen möglich“, so der Künstler, dessen Werke zum einen Aggressionen frei setzen und zum anderen häufig wie eine Meditationsübung wirken.
Der Direktor der Berliner Nationalgalerie Dieter Hornisch hat Uecker mal einen „Ideenverwirklicher“ genannt. Wer es schafft, sollte sich die Ausstellung mit Schlüsselwerken des Künstlers in Düsseldorf unbedingt ansehen. Dort steht unter anderem ein rostiges Boot, zugenagelt. Es befindet sich normalerweise in einer Krefelder Kirche und trägt den Titel „Das Boot“. Geschaffen hat es der Künstler 1980 und es ist angesichts der Flüchtlingswellen so aktuell wie eh und je. Nur ein weiteres Beispiel von Ueckers' Kunst, die immer eine Botschaft hat.