Eine Anthologie der Lust

„Die literarische Sau“ – hrsg. von Viktor und Viktoria

von Frank Becker

Eine Anthologie der Lust
 
 Bei Pornos muß ich immer an Sex denken.
(Klappentext)
 
Man hat schon einige dieser Säue durchs literarische Dorf getrieben, denn um die aufwendige Suche nach „Stellen“ abzukürzen, haben kluge Herausgeber schon seit Jahrzehnten eifrig das exzerpiert, gesammelt und in knapper Form zwischen Buchdeckel gepackt, was Leserinnen und Leser durch die Lektüre sexuell zu erregen imstande war. „Kein langes, lästiges Blättern mehr, kein stundenlanges Recherchieren“, so der Verlag, ist die Devise solcher Sammlungen, die literarische Stoffe aufs Wesentliche reduzieren, ausschweifenden Romanen die Essenz abtrotzen. Hermann Kinder hat es vor knapp 30 Jahren vorgemacht, Eva Zutzel (wissen Sie übrigens, wie man eine Weißwurst richtig ißt?) und Hermann Zausel (haha!) haben es klassisch nachgemacht – und nun stehen Viktor und Viktoria in einer überarbeiteten Neuauflage pseudonym für die eifrigen Finder geiler Literaturstellen, die sich vielleicht doch ein wenig für ihre Sammelleidenschaft schämen, sei es vor der Mama, der Erbtante oder den eigenen Kindern.
 
Aber mal unter uns Pastorentöchtern: wer hätte nicht, vor allem als Jugendliche(r) in der zerbrechlichen Phase der Pubertät im Bücherschrank der Eltern verzweifelt nach erotischen Stellen gesucht und sie im Fall des glücklichen Fundes Mal um Mal mit stets gleicher Erregung gelesen. Es gab ja nicht mehr als das, um sich gedanklich an das begehrte Unvorstellbare heranzutasten. Da wäre ein solches Werk wie das jetzt frisch vorliegende nur allzu willkommen gewesen, zumal so sorgfältig nach thematisch geordneten Kapiteln angerichtet: „Jugend forscht“, „Lauter erste Male“, „Zur Sache“, „Geschlechter unter sich“, „Eins, Zwei, Drei – ich komme“, „Versuche & Verworfenes“. Es sind, notabene, nicht die Klassiker von Henry Miller, Albert Camus, Hans-Henning Claer, Giacomo Casanova oder Jahnheinz Jahn, nicht einmal Charles Bukowski zählt hier noch, sondern weit freimütigere, aktuelle Ausschweifungen von u.a. Sophie Andresky, Nicholson Baker, Alan Bennett, Sasha Grey, Ulla Hahn, Michel Houellebecq, E.L. James, John Niven, Charlotte Roche, Doris Lerche, Xiaolu Guo, Fanny Müller, Tom Sharpe, Sue Townsend, Keto von Waberer, Else Buschheuer, Richard Burton, Helke Sander, Fabio Volo, David Lodge und vielen, vielen anderen.
 
Beteiligt sind natürlich nicht nur die Autorinnen selbst, sondern sofern fremdsprachig auch ihre Übersetzer und Übersetzerinnen. Waren die wohl beim Übersetzen professionell cool, oder ging der Atem mitunter schneller, hat es da auch gelegentlich ordentlich im Schritt gezuckt? Autorinnen? werden Sie zu Recht fragen, und ich antworte darauf: jaja, Autorinnen, denn die Mehrzahl der in diese erotische Anthologie aufgenommenen Texte (46 von 72, grob gezählt) stammt aus der Füllfeder von Frauen. Irgendwie beruhigend, meinen Sie nicht auch, meine Herren? Und glauben Sie mir, die haben es drauf. Ist das nun Pornographie? Genau da stellt sich die Gretchenfrage. Was ist überhaupt Pornographie, und wo ist die Trennlinie zur Literatur zu ziehen? Aber das soll dem Konsumenten dieses höchst unterhaltsamen und durchaus anregenden Sammelbandes völlig schnurz sein, weil Hirn und Libido gleichermaßen angesprochen werden. Nebenbei, der Untertitel „Ein Aufklärungsbuch der Hocherotik“ ist höchst unangemessen, ja eigentlich doof. „Eine Anthologie der Lust“ hätte es besser getroffen. Wir empfehlen das Buch.
 
„Die literarische Sau – Ein Aufklärungsbuch der Hocherotik“, hrsg. von Viktor und Viktoria
© 2015 Haffmans & Tolkemitt, 414 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag und rosa Lesebändchen - Illustrationen von Stephanie F. Scholz, Edward Gorey und Jimmy Beaulieu
ISBN 978-3-942989-77-0
19,95 €
 
Weitere Informationen: www.haffmans-tolkemitt.de