Der Spott der kleinen Dinge

Reise ins Jenseits

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Reise ins Jenseits

Neulich bin ich beim Fernsehen fast vom Sofa gefallen. Es war nachts. Nachts tritt bei Fernsehzuschauern etwas ein, das man erwartungslose Erwartungshaltung nennen könnte. Man ist zu wach zum Schlafen, aber zu müde zum Lesen. Dann sieht man fern. Es gibt nicht viel außer US-Serien mit eingespielten Lachern oder Mädchen, die Minigolf spielen und sich dabei nach und nach ausziehen. Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, daß ich weder wegen amerikanischer Witze noch wegen Minigolf vom Sofa falle. Stattdessen war ich bei einem Wahrsagesender gelandet. Und sah unsere Reisebürofrau!

Die rief da aber nicht an, um zu fragen, ob die Tochter den unrasierten Kerl aus der Nachbarschaft heiraten soll oder ob 2015 endlich ihr nässendes Ekzem weggeht. Nein, die Reisebürofrau war die Hauptperson: die Wahrsagerin (Schwerpunkt »Kipperkarten, Pendeln, Räuchern«). Ich war so aufgewühlt von dieser Job-Revolution, daß ich meine Frau wecken wollte. Ich wollte sie schütteln und sagen: »Wach auf, wach auf! Die Reisebürofrau ist jetzt Wahrsagerin!« Aber dann habe ich gedacht, sie hält mich doch nur für verrückt und läßt mich bei der Frau gleich eine Reise ins Jenseits buchen.

An die Reise, die wir vor Jahren bei der Reisebürofrau gebucht haben, kann ich mich gut erinnern. Gran Canaria. Das Wetter war herrlich. Das Essen ungenießbar. Aber das konnte die Reisebürofrau nicht vorhersehen, damals war sie ja noch keine Wahrsagerin.

Später, als ich wieder sicher saß, war eine andere dran, nicht so hübsch wie die vom Reisebüro. Sie sah eher so aus wie unser damaliger Verteidigungsminister, wenn man ihn als Frau verkleidete (der, dessen Namen bei einer Straßenumfrage kein Deutscher wüßte). Die Wahrsagerin hatte meiner Meinung nach keine Ahnung von der Zukunft der Frau, die da für 2 Euro pro Minute anrief. Aber sie hat das raffiniert umschifft. Die Wahrsagerin hat ins Blaue gesagt: »Du hast Probleme mit dein’ Mann!« Die Frau protestierte: »Ich hab gar kein’ Mann!« Da hat die Wahrsagerin gesagt: »Ja, das ist ja Dein Problem!« Schlau.

Am Ende konnte ich schlafen. Ich habe sogar geträumt: Wie ich beim besagten Verteidigungsminister eine Reise buchte. Komisch, im Traum wußte ich den Namen.


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.