Bestsellerfressen

Reinhold Messner - „Yeti – Legende und Wirklichkeit“

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Wer's glaubt, wird yetisch
 
„Yeti – Legende und Wirklichkeit“
von
Reinhold Messner
 
 
Als Reinhold Messner im September '86 von seinem 14. Achttausender heruntergehustet kam, keuchte er den Journalisten ins Mikrophon: „Ich habe den Yeti gesehen!“ Hätte er gesagt: „Ich bin ein Tirolerhut!“, kein Mensch hätte ihm das krumm genommen. Er aber beharrte auf seinem haarigen Yeti, und fortan wurde Reinhold von der Menschheit gehänselt, daß es nur so gretelte.
Ob in österreichischen Fußgängerzonen oder im Hindukusch – überall stellten sich ihm halbgare Gören in den Weg, trommelten auf die Hühnerbrust und riefen: „Du Yeti? Wir auch Yeti!“ In der Antarktis machten sich ganze Pinguin-Kolonien vom Acker, wenn sie ihn nur von weitem sahen. Selbst seine treuen Bergkameraden spötterten ihm beim Kraxeln hinterher:
„Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Rucksack!“ Und mit „Sack ... Sack ... Sack!“ gab ihm dann das Echo noch den Rest.
Die einzigen, die zu ihm hielten, waren die Himalajaner, die Kathmandusen und Buthanesen, und die Nepalesen, Sikkinesen, Pekinesen und Tibetesen, für die der Yeti allerdings nun wirklich nix Besonderes ist, genauso wie der Känguruh-Elephant Dödi für die Dödis in der Dödi-Wüste.
Der Himalaja-Yeti ist nämlich im Himalaja ein alter, bekannter, harmloser Schneemann, der nur ab und zu mit Steinen wirft, ein zotteliger, trotteliger Eigenbrötler mit garstig Mundgeruch, der sich alle Jubeljahre mal 'ne Jungfrau mopst und dessen Füße verkehrt herum an den Fußgelenken sitzen, damit seine Verfolger immer in die falsche Richtung laufen.
 
Naja, auf jeden Fall hatte Reinhold ihn gesehen, mit eigenen Haut und Haaren. Das Dumme war nur: Er war weltweit der einzige. Und nach 12 Jahren Yeti-Jagd und 20.000 Kilometern Fußmarsch besaß er grade mal 2,5 verwackelte Photos von Wesen, die eher nach Kelly-Family als nach sonst was aussahen.
Wie dem auch sei: Als Reinhold dann vor einiger Zeit seinen 2. großen Satz tat, und zwar diesmal von seiner Gartenmauer runter – und damit die weitere Bergbelästigung ein Ende fand -, klingelte es endlich bei ihm. Am anderen Ende der Leitung war der Fischer-Verlag.
„Reinhold,“ donnerte der Fischer-Verlag, „Mach Schluß! Und schaff uns bloß den Yeti vom Hals!“
In Windeseile haute Reinhold daraufhin dann zusammengemurmelte Halluzinationen von tibetanischen Murmel-Mönchen in die Maschine, lud die Weltpresse zur Konferenz und verkündete: „Der Yeti ist ein Braunbär!“
Ende gut, alles gut. Könnte man meinen. Doch so war es mitnichten. Die Weltpresse, die 12 Jahre lang behauptet hatte, es gebe keinen Yeti, allenfalls einen Braunbären, vor dem sich im Himalaja seit alters her traditionell alles in die Hosen mache, wollte sich nun ausgerechnet von Reinhold partout nicht sagen lassen, es gäbe keinen Yeti, allenfalls einen Braunbären, vor dem sich im Himalaja seit alters her traditionell alles in die Hosen mache.
Nun, wie man's macht, es ist verkehrt.
 
Warum aber, meine Damen und Herren , warum aber wird so was dann trotzdem noch ein Bestseller? Wahrscheinlich wegen so was:
„Obwohl niemand von uns wirklich daran glaubte, waren wir doch fest davon überzeugt, irgendwann den Yeti auftauchen zu sehen.“
Ich machs noch mal, weil's so schön war:
„Obwohl niemand von uns wirklich daran glaubte, waren wir doch fest davon überzeugt“...
Nun, wer solche Sätze gerne liest, der glaubt auch an den Känguruh-Elephanten. Und das sind ca. 50% aller Deutschen. Die restlichen 100%, die politisch Interessierten, bedient der Reinhold mit einem kleinen Exkurs zur Ausländerfrage:
„Nichts stellt eine solche Bedrohung für das Überleben des tibetischen Volkes dar wie die Einwanderung von Chinesen. Es gibt keinen Zweifel, hier geht es darum, den Überlebenswillen des tibetischen Volkes zu brechen.“  
Die deutsche Schutzstaffel von Otto Schily bis Otto Normal hätte es nicht besser formulieren können.
Doch genug ist nicht genug.
Denn wo es um Yetis und Tibeter geht, darf natürlich ihr scherzendes Oberhaupt nicht fehlen. So führte der Reinhold mit dem heiligen Witzbold noch ein Gespräch, welches folgendermaßen endete:
„Vielleicht ist der Braunbär mit dem Yeti identisch,“ vermutete der Dalai Lama.
„Ich bin mir seit einigen Monaten dessen sogar sicher,“ antwortete ich und legte einen Finger auf die Lippen, wie mein Gegenüber es auch tat, als gelte es, vor den anderen ein Geheimnis zu hüten.“
Tja, bleibt da nur noch ein Rätsel zu lösen:
Wer hat dann dieses Buch geschrieben?