Starke Stimmen, starke Bilder

Michiel Dijkema inszeniert „Salome“ in Wuppertal

von Daniel Diekhans

Revolte! - Foto © Uwe Stratmann

Starke Stimmen, starke Bilder:
Michiel Dijkema inszeniert „Salome“ in Wuppertal
 
„Salome“. Musikdrama von Richard Strauss in einem Akt
nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung.

 
Salome bringt das Opernensemble zum Tanzen
Musikalische Leitung: Ari Rasilainen - Inszenierung und Bühne: Michiel Dijkema - Kostüme: Tatjana Ivschina - Licht: Nikolaus Vögele - Choreographie: Matthew Tusa  - Fotos: Uwe Stratmann
 
Besetzung: Herodes (Michael Hendrick) – Herodias (Dubravka Mušović) –Salome (Cristina Baggio) – Jochanaan (Thomas Ghazeli) – Narraboth (Emilio Pons) – Cappadocier (Jan Szurgot) – Soldaten (Falko Hönisch, Peter Paul) – Juden (Noriyuki Sawabu, Johannes Grau, Markus Murke, Kalle Kanttila, Peter Paul) – Nazarener (Greg Ryerson, Ferdinand Junghänel) – Page (Lucie Ceralová) – Sklave (Laura Demjan) – Statisterie - Sinfonieorchester Wuppertal - Aufführung in deutscher Sprache mit Übertiteln.


Die Antagonisten in Umarmung - Foto © Uwe Stratmann
 
Starke Stimmen
 
Der Prophet Jochanaan, den Richard Strauss in seiner „Salome“ entwirft, ist eine ehrfurchtgebietende Gestalt. Besonders wenn ein Sänger wie Thomas Ghazeli ihn verkörpert. Mit voluminösem Bariton und fast überdeutlicher Artikulation verkündet er in der aktuellen Wuppertaler „Salome“-Inszenierung Jochanaans Botschaften: Der Messias ist da. Die Erlösung ist nah. Wegen dieser Parolen hat König Herodes den Propheten einsperren lassen.
Salome hat keine Angst vor dem Sprachrohr Gottes. Noch bevor sie Jochanaan sieht, verliebt sie sich in seine Stimme, die in ihren Ohren wie „geheimnisvolle Musik“ klingt. Sopranistin Cristina Baggio ist Ghazeli ebenbürtig. Sie meistert die Herausforderungen ihrer Partie – die abfallenden Läufe bis hinunter zum Alt, die feinen Übergange zwischen Gesang und Sprechstimme, die zwischen zwei Tonarten schwankenden Dissonanzen.
 
Eindringliche Bilder
 
Zu den starken Stimmen kommen die eindringlichen Bilder. Regisseur Michiel Dijkema entdeckt hinter dem Gegensatz von Jochanaans Keuschheit und Salomes erwachender Sexualität zwei komplexe, widersprüchliche Charaktere. Ghazelis Jochanaan kann sich der kleinen Prinzessin, die alles tut, um ihn für sich zu gewinnen, nicht entziehen. Baggio indes verkörpert eine Salome, die Herodes und seiner höfischen Spaßgesellschaft radikal ablehnt.
So gerät die Begegnung von Prophet und Prinzessin nicht zum Showdown im großen Geschlechterkampf, sondern vereint die Antagonisten in einer Umarmung. Elegant verflechten sich ihre Gesangslinien und einem klassischen Liebesduett scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Doch jäh prescht das Orchester hinein, wenn er sich aus ihren Armen befreien kann: „Du bist verflucht, Salome!“


Salome tanzt - Foto © Uwe Stratmann
 
Tanz ums Goldene Kalb
 
Einmalig aber ist Salomes Tanz. Sie übertrifft sogar noch das Finale, wenn Salome über Jochanaan triumphiert („Dein Kopf gehört mir!“). Denn Choreograph Matthew Tusa setzt nicht nur wie üblich Salome in Szene. Mit ihren fließenden Bewegungen verführt Cristina Baggio nicht nur Herodes, sondern das ganze Opernensemble. Nach und nach beginnen alle – Soldaten, Hofstaat, Juden, Nazarener – zu tanzen. Sie umringen Salome wie das Goldene Kalb und fallen auf die Knie.
Der bleiche Mond, der bis dahin Dijkemas stilisierte Wüstenlandschaft beschien, weicht Tageslicht. Nicht Jochanaan, sondern Salome handelt revolutionär. Sie reißt ihrer Mutter die teuren Kleider vom Leib und stößt den Thron ihres Stiefvaters um.


Laß mich deinen Mund küssen... - Foto © Uwe Stratmann
 
Diese „Salome“ funkelt
 
Diese Wuppertaler „Salome“ strahlt deshalb so hell, weil neben den Hauptdarstellern die Sänger bis in die Nebenrollen – so etwa Tenor Emilio Pons als Narraboth und Altistin Lucie Ceralová als Page – gut besetzt sind. Hervorragend auch das Gespann Herodes und Herodias. Tenor Michael Hendrick verfügt über buffonesk leichte bis kraftvoll-dramatische Stimmlagen. Auch Dubravka Mušovićs Mezzosopran zeigt eine große Bandbreite bis hin zu metallisch harten Koloraturen.
Ari Rasilainen, Dirigent des Premierenabends, und das Sinfonieorchester Wuppertal übersetzten Strauss' Partitur in kräftig funkelnde Klänge. Besonders die sechs Perkussionisten spielten mit Drive und eindrucksvoller Präzision.
 
Weitere Informationen unter: www.wuppertaler-buehnen.de