Der Spott der kleinen Dinge

Kim und Kim

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Kim und Kim
 
Neulich hat der Diktator Kim in einem Vergnügungspark einen Wutanfall bekommen. Erst dachte ich, daß sei eine Ente. Kim ist ja tot. Dann fiel mir einer der großen Vorteile von Diktaturen ein: Wichtige Dinge bleiben, wie sie sind. Kim ist tot, es lebe Kim.
    Sie sagen: Du liebes bißchen, was will ein Diktator im Vergnügungspark? Aber nach elftägigen Staatstrauern machen Sie und ich ja auch gerne mal auf lustig. Anfangs soll alles ganz gut gelaufen sein. Kim jauchzte, als er aus dem Riesenrad des ewigen Generalsekretärs kletterte. Danach fuhr er gleich dreimal mit der Achterbahn der ewigen Sonne, ehe er in die Geister-Rikscha des Großen Führers stieg. Aber dann entdeckte Kim mehrere Grashalme zwischen Pflastersteinen …
    Kim flippte völlig aus. Erst hat er selbst das Gras gerupft, dann schreiend einen Vortrag über das Verhältnis von abblätternder Farbe und ideologischer Glaubwürdigkeit gehalten. Es soll sogar der Satz gefallen sein »Sie sind nicht zum Vergnügen hier!« – natürlich auf Koreanisch. Ich bin nicht für alles in der Diktatur, aber wenn Chefs nicht auf Kleinigkeiten achten, ist der ganze Laden nichts wert. Kim soll danach zur Beruhigung zum chinesischen Fadenziehen gebracht worden sein.
    Ich beschloß, meine Schwiegermutter anzurufen, um ihr nachträglich zum Muttertag zu gratulieren. Sie stieß dankend auf und klagte über Sodbrennen. »Das kommt von der Dönerbude«, sagte sie. Sie schwört auf Wodka bei Unwohlsein. Ich warf ein, daß in der Bude vielleicht keine echten Dönerköche gewesen seien, sondern Polizisten; das komme neuerdings vor in Deutschland. Sie winkte verdrossen ab: »Das hätte ich gemerkt. Für einen Schutzmann war er viel zu freundlich!« Ich wechselte zu einem unverfänglichen Thema und schwärmte von Kim und dem Gras. Meine Schwiegermutter sagte, der neue Kim sei fett, habe aber schönes Haar. Ich werde mich nie daran gewöhnen, worauf Frauen achten.
 
 
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.