Die automobile DDR

Alexander Franc Storz – „So rollte die DDR“

von Frank Becker

Die automobile DDR
 
Wir alle wissen, daß in der DDR ein wenig bescheidener Auto gefahren wurde als im kapitalistischen westlichen Bruderstaat. Und wer hätte nicht noch die Bilder von förmlich auf den Müll geworfenen „Rennpappen“ aus den Sachsenring-Werken des Typs Trabant 601 nach der Wiedervereinigung vor Augen. Ich selbst sah 1990 in der Berlin-Pankower Kavalierstraße einen Trabant kopfüber in einem Müllcontainer stecken. Als die Mangelwirtschaft ein Ende hatte und durch die Marktwirtschaft nicht immer unbedingt menschenfreundlich abgelöst wurde, ging auch ein Kapitel Automobilgeschichte zu Ende.

Wer nun aber glaubt, der automobile Osten habe nur aus EMW, Trabant, Wartburg und Barkas bestanden, kann sich mit Alexander Franc Storz´ Buch „So rollte die DDR“ noch einmal auf die Reise in dieses nach 25 Jahren schon beinahe vergessene Kapitel begeben. So wie Storz sich die bunten Auto-Jahrzehnte der BRD vorgenommen hat – die Musenblätter berichteten – ist er auch kenntnisreich in seiner Aufarbeitung der DDR-Automobilgeschichte ans Werk gegangen. Und wieder sind es überwiegend Fotos aus privaten Alben, welche die auch im Osten Deutschlands gepflegte Erinnerungskultur und Auto-Liebe belegen.

Es gab nach den gleichen improvisierten Anfängen wie im Westen des geteilten Deutschland (Überbleibsel aus Vorkriegszeiten und Militärbeständen, Produktion aus nicht abgebauten und nach Rußland gebrachten Werksanlagen, Holzvergaser und Eigenbauten) tatsächlich neben den DDR-Eigengewächsen auch eine wenn auch überschaubare, so doch interessante Zahl an Importen aus den sozialistischen Bruderländern, denn auch die UdSSR, die Tschechoslowakei, Polen entwickelten eigene Typen und Serien. Und so rollten und rumpelten dann auch Moskvitch und Volga, Shiguli und Tatra, Lada und Pobejda und Zaporojez, GAZ und VAZ, Skoda und Polski Fiat über ostdeutsche Straßen und Autobahnen. Daß einige davon doch West-Autos recht ähnlich sahen, war sicher nur dem Zufall geschuldet.


EMW (Eisenacher Motorenwerke) F9 - Foto: Archiv Musenblätter


Recht selten sah man auch West-Importe, unter denen VW Golf und Citroën noch am häufigsten vorkamen. Doch Alexander Franc Storz konstatiert in seinem Buch: am liebsten waren den DDR-Bürgern ihre eigenen Produkte Wartburg, Trabant, Barkas. Da wußte man, was man hat und wie man es selber reparieren kann. Obwohl: das mit dem Reparieren hatte da ein Ende, wo die Ersatzteile fehlten. Ich erinnere mich an Freunde in Pirna, deren Wartburg seit Wochen in der Garage stand, weil ein Kolben defekt und nicht zu bekommen war. Nach meinem Besuch zurück im Westen konnte ich den gewünschten Kolben ohne Probleme bei einem belgischen Händler beschaffen und als Weihnachtspäckchen nach Pirna expedieren. Da war wohl der staatlich gelenkte Export von Ersatzteilen gewinnträchtiger als die Versorgung der DDR-Autofahrer.
 
„Der Straßenalltag in der DDR war vielseitiger als man denkt: Dieses Buch berichtet ohne „Ostalgie“ vom Alltag im Arbeiter- und Bauernstaat, von Reisen und Urlaub, was manchmal unterhaltsam und oftmals auch beschwerlich war, aber immer Stoff für schöne Geschichten und außergewöhnliche Bilder lieferte.“ (Verlagstext)
 

Vielseitig einsetzbar: der Wartburg mit großem Kofferraum - Foto © Archiv Storz (Buch S. 86)

Sicher auch für „Wessis“ ein interessantes Buch, zumal die Geschichten, welche die vielen Fotos begleiten, einfach herrlich zu lesen sind.

Alexander Franc Storz – „So rollte die DDR“
Unterwegs im Arbeiter- und Bauernstaat
© 2012 Motorbuch Verlag, 176 Seiten, gebunden 265 x 230 mm, 248 sw-Abbildungen, 81 Farbabbildungen  -  ISBN 978-3-613-03469-3
19,95 €


Vorne links: Wartburg und Mitte: Lada vor dem Ballast der Republik - Foto © Günter Gueffroy
 
Weitere Informationen:  www.motorbuch-verlag.de