Halt! Warum Halt?

Karsten Hohage – „Männer-WG mit Trinkzwang“

von Frank Becker

© Rowohlt Verlag
Lustig ist das Studentenleben
(Burschen heraus!)
 
Ein junger Mann trifft zum Studienbeginn fern der Heimat bei der Zimmersuche auf das Angebot einer studentischen Verbindung, genauer gesagt einer akademischen Sängerschaft, auf deren Haus Quartier zu beziehen und dem Bund nach einer beiderseitigen Bedenkzeit möglichst auch beizutreten. Er tut das eine wie das andere und findet Freunde fürs Leben. Soweit die Kurzfassung von Karsten Hohages autobiographischem Roman „Männer-WG mit Trinkzwang“ mit dem beschwichtigenden Untertitel „Wie ich in einer Verbindung landete und warum das gar nicht so schlimm war“.
 
Wer wissen möchte, wie es im Alltag einer Studentenverbindung sowie auf deren Haus (es heißt „auf“ und nicht „in“) zugehen kann, was Verbindungsstudententum überhaupt bedeutet, für welche Werte und Ideale farbentragende Studenten stehen und welchen Anfeindungen sie allzu oft ausgesetzt sind, findet in Hohages Buch mancherlei Aufschluß, denn er kennt diese Form der Männergemeinschaft aus eigenem Erleben. Karsten Hohage ist nämlich seit seinem eigenen Studienbeginn Angehöriger der fakultativ schlagenden Sängerschaft Guilelmia Niedersachsen zu Freiburg im Weimarer CC. Immerhin. Nicht jeder kann das Glück haben, das Band eines Corps aufzunehmen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Hohages Schilderung vom Leben als zweifarbiger „Fux“, vom Aufstieg zum dreifarbigen Burschen – gemeint sind die Farben des Couleurbandes, das Verbindungsstudenten intern und bei offiziellen Veranstaltungen zur farbigen Mütze tragen – der Übernahme von Verantwortung im Verband, der Kneipen, Bierjungen, und Couleurbesuche bei anderen Bünden sind plastisch und entsprechen der Realität. Daß bei (s)einer Sängerschaft offenbar täglich bis zum Exzess gesoffen wird, mag für einen solchen Bund wie den seinen gelten (s.o.), die beschriebenen „Schnellen“, Staffetten, Kreuzkneipen, Comments und auch das Knattern und der gelegentliche Fahnenklau beim anderen Bund finden aber in der Tat recht genau so wie beschrieben statt.
 
Daß farbentragende Studenten überdies aber auch recht erfolgreich im Studium sind – so zumindest kennt man es aus dem Corpsleben – liegt daran, daß ihr Lernfortschritt von den Corps- bzw. Bundesbrüdern begleitet, beobachtet und unterstützt wird. Die Älteren halten die Jüngeren zum konsequenten Lernen an und lassen von den eigenen Erfahrungen profitieren. Zudem schult und stärkt die Übernahme von Ämtern und Verantwortung innerhalb der Verbindung den Charakter. Das gilt auch für die Mensur, das studentische Hiebfechten, das in den meisten traditionellen Verbindungen Pflicht ist. Da wo das Fechten fakultativ ist, also allein dem Wunsch und der Entscheidung des einzelnen unterliegt, wird es immerhin in der Paukstunde geübt. Wer sich einmal anständig „eingepaukt“ hat, wird sich letztlich auch in der scharfen Mensur messen wollen. Der tiefere Sinn des Verbindungslebens ist das Zusammenfinden zu einem wertvollen Lebensbund unter Freunden. Das vermittelt Karsten Hohage eindrücklich.

Haben Sie, lieber Leser, liebe Leserin, wie so viele uninformierte Mitbürger, eventuell Vorbehalte gegen studentische Verbindungen, zumal schlagende, die fälschlich öffentlich stets und auch von der Presse immer wieder als „Burschenschaften“ über einen negativen Kamm geschoren werden? Ist Ihnen das irgendwie alles suspekt? Dieses äußerst unterhaltsame, sachlich informierende und in keiner Weise die Wirklichkeit beschönigende oder verdrehende Buch könnte weiterhelfen, denn Hohage geht mit einigen Verbindungen durchaus kritisch um. Farbenstudenten ist es amüsante Unterhaltung, allen anderen hilft es dank zahlloser kundiger Fußnoten und Worterläuterungen sowie einer Tabelle der wichtigsten Verbindungs-Dachverbände einiges mehr zu verstehen. Da braucht man fast seinen „Golücke“ (Studentenwörterbuch) nicht mehr.
 
Karsten Hohage – „Männer-WG mit Trinkzwang“
© 2012 Rowohlt Taschenbuch Verlag, 282 Seiten, Broschur, eine Tabelle – ISBN 978-3-499-62956-3
9,90 €
 
Weitere Informationen:  www.rororo.de