„Sie machte den Mord zum Kunstwerk“

Agatha Christie wurde vor 125 Jahren geboren.

von Andreas Rehnolt

© Scherz Verlag
„Sie machte den Mord zum Kunstwerk“
Agatha Christie wurde vor 125 Jahren geboren.
 
Von Andreas Rehnolt
 
Wer hätte gedacht, daß die weltberühmte Schriftstellerin Agatha Christie sich ihre Kriminalromane am liebsten beim Abwasch ausdachte? Die Literaturwissenschaftlerin Tania Schlie hat das bei der Recherche ihres jüngst erschienenen Buches „Wo Frauen ihre Bücher schreiben“, herausgefunden. Christie (1890-1976) schrieb ihre Krimis demnach vor allem, um Geld für die Renovierung ihres Hauses zu verdienen. Vor 125 Jahren, am 15. September 1890 wurde Agatha Christie in Torqauy/Devon geboren.
 
Sie machte „den Mord zum Kunstwerk“, hieß es in der vor ein paar Jahren im Fischer Verlag erschienenen Biographie von Laura Thompson über die zu den erfolgreichsten Autorinnen der Literaturgeschichte zählende Christie, die wohl die berühmteste Kriminalschriftstellerin der Welt ist. Ihrer Fantasie verdanken Leser und Zuschauer so brillante Detektive wie den Belgier Hercule Poirot (im Film von Austin Trevor, Tony Randall, Albert Finney und Peter Ustinov dargestellt) oder die sehr englische Miss Marple, die in Margaret Rutherford ihre Idealbesetzung fand und nach deren Tod von Angela Lansbury dargestellt wurde. Weltweit wurden nach Angaben des Fischer Verlages bislang deutlich über zwei Milliarden ihrer Bücher verkauft. Zudem ist sie die am häufigsten übersetzte Autorin, und ihre Werke sind angeblich die meistverkauften Bücher der Welt - nach der Bibel.
Insgesamt 73 Kriminalromane, 23 Bühnenstücke, diverse Lyriksammlungen und über 100 Kurzgeschichten hat die „Queen of Crime“ veröffentlicht. Ihre Bücher wurden in 44 Sprachen übersetzt. Schon mit elf Jahren veröffentlichte sie erstmals ein Gedicht in einer lokalen Zeitung. Nach einigen
romantischen Erzählungen erschien 1920 ihr erster Kriminalroman mit dem Titel „Das fehlende Glied in der Kette“, in dem sie den Detektiv Hercule Poirot einführte.
 
Das Muster des ersten Krimis behielt sie bei: Zunächst deuten alle Indizien auf einen Täter, der es aber aus bestimmten Gründen nicht gewesen sein kann, bis am Ende die wirklichen Zusammenhänge klar werden. Der Durchbruch als Kriminalautorin gelang ihr allerdings erst 1926 mit dem Roman „Alibi“. 1930 erschien der erste von insgesamt zwölf Miss-Marple-Krimis mit dem Titel „Mord im Pfarrhaus“. Ihre Theaterstücke sind noch immer an zahlreichen Bühnen erfolgreich und die Verfilmungen ihrer Werke wie „Tod auf dem Nil“, „Mord im Orient-Express“ oder „Zeugin der Anklage“ gehören zu den Kino-Klassikern.
 
Agatha Mary Clarissa Miller - so ihr Mädchenname - entstammte einer reichen Familie und wuchs im Seebad Torquay an der englischen Südküste auf. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete sie als Krankenschwester. Viele ihrer Krimi-Ideen bekam die Schriftstellerin auf ihren zahlreichen Reisen ins In- und Ausland. 1928 reiste sie mit dem „Orient-Express“ nach Istanbul, dann weiter mit dem „Taurus-Express“ bis nach Bagdad. Diese Reisen beeindruckten sie stark und hatten zudem großen Einfluß auf ihr schriftstellerisches Tun. 
1930 lernte sie nach der Scheidung von ihrem ersten Mann und Vater ihrer Tochter Rosalind auf einer weiteren Reise ihren späteren zweiten Mann, den jungen Archäologen Max Mallowan kennen, den sie auf Exkursionen in den Orient und nach Griechenland begleitete. Diese Ehe dauerte 46
Jahre. Über ihr Leben an den verschiedensten Ausgrabungsstätten an der Seite ihres Mannes schrieb sie mit „Erinnerung an glückliche Tage“, aus dem Jahr 1946, die erste ihrer beiden Autobiographien. 1977 legte sie mit „Meine gute alte Zeit“ die zweite vor.

Die Romane von Agatha Christie spielen mal in der Welt der Reisenden, mal in der Enge des kleinen Dorfes St. Mary Mead, wo sich die wunderliche, verschrobene Miss Marple gemeinsam mit dem stets um sie besorgten Mr. Stringer an die Aufklärung diverser Verbrechen macht. Viel Mühe gab sie sich bei der Gestaltung ihrer Figuren. Es seien „Menschen mit ihren kleinen Schrullen und ihren großen Passionen, für die die Autorin in ihren Werken leidenschaftliche Plädoyers hält“, urteilte der Kölner Krimi-Experte Rudolf Meier, der stolz auf besonders viele Erstausgaben der Kriminal-Autorin ist. 
 
Am 25. November 1952 lief im Abassador Theatre London die West-End-Produktion „The Mousetrap“ an, die bis zum heutigen Tag (jetzt im St. Martin´s Theatre) ununterbrochen gespielt wird. „Die Mausefalle“ ist damit das am längsten laufende Theaterstück der Welt. 1970 erschien zu Christies 80. Geburtstag der Roman „Passenger to Frankfurt“, um eine Weltverschwörung von Neo-Nazis. Ein Jahr später wurde Christie als Dame Commander in den Orden des britischen Empire aufgenommen und in den persönlichen Adelsstand erhoben. Ihren letzten Roman „Alter schützt vor Scharfsinn nicht“ schrieb sie 1973/74. 
Die Schriftstellerin starb am 12. Januar 1976 im Alter von 85 Jahren. Drei Jahre zuvor hatte sie einen Schlaganfall erlitten. 1988 wurde eine
lachsfarbene Kletterrose nach ihr benannt und 24 Jahre nach ihrem Tod wurde Christie auf der Anthony Boucher Memorial World Mystery Convention zur „besten Kriminalautorin des Jahrhunderts“ erhoben. Ihre Detektivgeschichten, bekannte Agatha Christie einmal, seien von einer Art Leidenschaft geprägt - „von dem leidenschaftlichen Verlangen, dem Unschuldigen zur Seite zu stehen. Denn auf die Unschuldigen, nicht auf die Schuldigen kommt es an.“

Vom 11. bis zum 19. September findet in Devon anläßlich ihres 125. Geburtstages ein Internationales Agatha Christie-Festival statt.
 
Beim S. Fischer Verlag liegt seit 2010 eine maßgebliche Biographie Agathe Christies vor:
Laura Thompson – „Agatha Christie - Das faszinierende Leben der großen Kriminalschriftstellerin“
Aus dem Englischen von Tatjana Kruse
© 2010 S. Fischer Verlag, 527 Seiten, Broschur, einige s/w-Fotos - ISBN: 978-3-596-18085-1
10,99 €
 

Redaktion: Frank Becker