In der Traumstadt, in der Dreizehnmännergasse
In der Traumstadt, in der Dreizehnmännergasse,
wo der schon seit fünfzig Jahren trockne Brunnen steht,
wohnt in einem engen, schrägen Dachgelasse,
nah am immertrüben Himmel ein Poet,
ein schon älterer Poet, den seine Muse lange nicht mehr küßte auf die Dichterstirn;
in Ermanglung dessen schürft er oft verzweifelt in dem Gruse
abgelegter Geistesblitze, die in seinem Hinterhirn
irgendwo verwittern; doch er findet nichts, was ihm zum Dichten Anreiz gibt;
keiner von den abgelegten Geistesblitzen zündet,
denn die Muse ist nicht mehr in ihn verliebt.
Und so schreibt er einen Abschiedsbrief an seine Muse: Einer, der schon tot sei, lasse herzlich grüßen,
denn derselbe werde sich mit einer Arkebuse - -
Aber, als er ,sich erschießen′ schreiben will, da sprießen
plötzlich um die Arkebuse Assoziationen: Wilhelm Tell - Apfel - Schiller - Äpfel, faule, - Schreibtischladenmief - -
“Halt!“ gebietet sich der Dichter, „nicht so schnell!”
und er atmet dreimal tief, zerreißt den Abschiedsbrief,
und dann eilt er zu der Traumstadtobstfrau (Witwe Schmitz aus Leverkusen). Diese aber wußte schon, weshalb der Dichter zu ihr kam:
gab sie ihm doch gleich vier Dutzend faule Pampelmusen.
Die der Dichter wortlos dankbar an sich nahm.
Fortan hat der Dichter dann gedichtet und gedichtet und gedichtet und gedichtet, wie gemeinhin nur ein Mensch mit Bitterwasser und mit Rizinus im Leibe
irgendwas verrichtet.
Doch es wurde keines seiner Werke auf dem Büchermarkte je gesichtet.
Peter Paul Althaus Peter Paul Althaus starb heute vor 50 Jahren.
Das Gedicht wurde mit freundlicher Genehmigung des Verlages aus dem Buch "Peter Paul Althaus läßt grüßen - Die Traumstadtgedichte von PPA", 2003 Pendragon Verlag, entnommen. |