Atemloser kabarettistischer Galopp

Wilfried Schmickler – „Das Letzte“

von Frank Becker

Kälter wird es nicht
(Aus dem Tagebuch eines Gratwanderers)
 
Ein Blatt hat er noch nie vor den Mund genommen und Rücksichten aus jedwedem Kalkül sind ihm völlig fremd: Wilfried Schmickler. Seit 35 Jahren kartätscht er, einer der letzten großen, wirklich politischen Kabarettisten, kompromißlos gegen das, was uns alle ärgert, kränkt und beleidigt und was die wenigsten beim schmutzigen Namen zu nennen wagen.
 
Und er ist einer der wenigen, die sich wirklich „drum kümmern“, was er in seinem Programm „Ich weiß es doch auch nicht“ versprach – und auch weiterhin hält. Ganz aktuell ist nun auch sein jüngstes Programm auf CD zu haben, und wir wollen nicht hoffen, daß es das ist, was es in seinem Titel behauptet: „Das Letzte“. Banken-Gier und Börsenzocker, die Datengier der Internet-Kraken und Vernetzungs-Wahn in der Welt der Bits und Bytes, verlogene Staatsbesuche und DGB-Slogans, Lohndumping und Zeitvertrag, die bigotte katholische Kirche und die zu einem kleinmütigen Haufen erbärmlicher Jammerlappen verkommenen Sozialdemokraten – Themen, die er im atemlosen kabarettistischen Galopp durchsprengt wie kein anderer. Themen, zu denen Schmickler seine dezidierte Meinung sagt und nicht nur den Finger in die schwärenden Wunden der Gesellschaft legt, sondern, wie meine Oma zu sagen pflegte, auch noch Salz hineinreibt. Damit es wehtut. Ordentlich. Denn nur so wird es begriffen, lehrt die Erfahrung des geübten und scharfsinnigen Mahners. Gut daß es Wilfried Schmickler gibt, der aber auch die Frage stellt, was Satire darf, ob sie das dann auch muß und ob es nicht noch brennendere Fragen gibt. Und die stellt er dann im kurzen aber beißenden Text „Was darf Satire?“
 
Frei von Anbiederung und Schmeichelei sagt Schmickler, was Sache ist. Er gehört zu den wenigen Klar- und Weitsichtigen im Lande, ist ein Wahrhaftiger, der auch die unbequemsten Wahrheiten ungefiltert ohne Rück- und Vorsicht ausspricht. Längst gebührte, wie von mir schon zuvor gefordert, dem virtuosen Schnellsprecher für seine Programme (die zudem Pflicht für jeden Oberstufen-Kurs Staatsbürgerkunde deutscher Schulen sein müßten) neben seinen großen Kabarett-Preisen auch ein staatlicher Verdienstorden. Aber den wird er nicht kriegen, zu sehr steht er denen auf den Zehen, die ihn vergäben. Und: den würde er vermutlich sogar pikiert ablehnen. Warum übersieht man ihn eigentlich permanent bei der Bundespräsidenten-Kür? Wohl, weil er Deutschland gründlich und permanent, um nicht zu sagen penetrant die Leviten lesen und übrigens auch hier spöttisch abwinken würde.
 „Das Letzte“ - 70 Minuten Schmickler, die wie ein reinigendes Bad im Höllenfeuer sind. Dabei erlaubt er sich durchaus auch Abstecher zum Kalauer über den Köttbullar, zum köstlich erzählten Witz oder zum Literaturpreis-gekrönten Giersch-(Be-)Dichter Jan Wagner. Ein begnadeter Jongleur mit Wort und Wahrheit. Eine heftige Empfehlung der Musenblätter, ausgezeichnet mit dem Musenkuß.
 
Wilfried Schmickler – „Das Letzte“
Live-Mitschnittaus der Comedia Köln, Juni 2015
15 Titel mit einer Gesamtzeit von 1:19:36
 
Weitere Informationen:  www.wortart.de  -  www.wilfriedschmickler.de