Alt werden - mal anders betrachtet

Clowns 2½ Ein komisch-musikalisches Unternehmen von Roberto Ciulli und Matthias Flake

von Frank Becker

Matthias Flake - Foto © A. Köhring
Nit möööglich!
Clowns 2½

Ein komisch-musikalisches Unternehmen
von Roberto Ciulli und Matthias Flake
Eine Koproduktion mit „Les Théâtres de la Ville de Luxembourg“
 
Inszenierung: Roberto Ciulli – Musik: Matthias Flake – Dramaturgie: Helmut SchäferBühne: Gralf-Edzard HabbenKostüme: Elisabeth Strauß – Licht: Ruzdi Aliji
Besetzung: Matthias Flake (Il Maestro) – Rupert J. Seidl (Il Gigante Buono) – Petra von der Beek (Bebe) – Simone Thoma (Chou Chou) – Dagmar Geppert (Marlene) – Albert Bork (Bobo) – Klaus Herzog (Eric) – Fabio Menéndez (Allesandro Moreschi) – Peter Kapusta (Umberto D.) – Volker Roos (Sepp)
 
Viele von uns werden, der einen oder anderen Notwendigkeit geschuldet, ihren Lebensabend in einem Altersheim verbringen. Dort prallen am besagten „Abend“ in mitunter dramatischen Konstellationen derart unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinander, daß neben der zornigen Reibung gewiß auch eine gewisse Komik darin liegen kann. Roberto Ciulli hat diesem Umstand nachgespürt und daraus mit der musikalischen Unterstützung von Matthias Flake unter dem Titel „Clowns 2½“ ein „komisch-musikalisches Unternehmen“ auf die Bühne seines Theaters an der Ruhr gebracht. Clowns? Ciulli ist ein Kenner der Materie und pflegt in seinen Inszenierungen schon lange die Hohe Schule der Clownskunst – wir haben an dieser Stelle schon gelegentlich clowneske Elemente in seinen Stücken angemerkt. Der Clown, der Weiße wie der Rote (auch Dummer August), zeigt in der Manege die Kunst des Versagens – und das Publikum lacht. Der Clown legt den burlesken Vergleich mit unserer sozialen Gemeinschaft an und erreicht mit der Verzerrung eine heitere Identifikation. Was der Pierrot und der Arlecchino in der Commedia waren, wurden Weißclown und August vergleichbar in der Manege. Grock und Charlie Rivel, die Fratellinis und Tom Belling gehören zu den Legenden des Genres. Vor einem restlos begeisterten Publikum gastierte Ciullis Truppe mit „Clowns 2½“, einer Verneigung vor Federico Fellini, am vergangenen Samstag im Remscheider Teo Otto Theater.

Acht Alte (Rote) treten in August-Maske/Manier auf, fünf Herren, drei Damen - ein jeder bringt eine Zeitung, (s)eine Marotte und ein Kinderstühlchen mit auf die Bühne, womit bereits eine Richtung gewiesen wird. Der pensionierte Offizier, die Diva, der Träumer mit imaginärem Hund, die Sexbesessene, die Putzsüchtige, der Eitle, der Total-Verweigerer usw. usw. – ein bißchen oder mehr kindisch zeigen sie sich durchweg. Auch auf den Weißclown im  klassischen Kostüm (Matthias Flake am Flügel) muß nicht verzichtet werden. Ein Pfleger (Rupert J. Seidl als Il Gigante Buono in einer Maske der Commedia dell´arte), sorgt umsichtig, gelegentlich auch mit der stürmischen Gewalt eines kraftvollen Gebläses dafür, daß die eigenwilligen Herrschaften nicht allzu sehr über die Stränge schlagen.


Ensemble - Foto © A. Köhring
 
In durchweg fast wortlosen grotesken, burlesken, aber auch anrührenden Bildern erlebt das Publikum wie in einem Jahrmarkts-Zerrspiegel den Alltag des Altersheims – von der morgendlichen Zeitungslektüre mit musikalischer Begleitung und Papier-, Husten- und Buch-Percussion über das Leben nach dem Takt eines Metronoms, ein Hauskonzert mit Kinder-Geige, Kinoabend, abendlicher Pillen-Ausgabe oder unterbrochener Nachtruhe. Fällt doch einmal ein Wort, so ist es eigentlich keins, doch ein Laut mit Bedeutung. Bild um Bild, Zug um Zug schließt man die brabbelnden „wunderlichen Alten ins Herz.


Ensemble - Foto © A. Köhring

Ein Putzballett zum Akkordeon des Weißclowns, der traditionell verschiedene Instrumente beherrschen muß, ein schwungvoller Walzer, der Diva und Offizier noch einmal jung werden läßt (aber beinahe fatal endet), der Kinoabend, der durch sieben gleichzeitige Clowns-Mimiken und die brillante Musik Flakes die dramatische Handlung und die vom Charakter gesteuerten unterschiedlichen Stimmungen unserer Freunde eindrucksvoll illustriert, gehören zu den Kabinettstücken. Als während des Abendbrots ein Rollstuhl an verborgenen Fäden wie ein Menetekel über die Bühne gezogen wird, schauen alle weg. Das nun nicht! Wenn sich die unterschiedliche Truppe unter dem Dach der nachgestellten französischen Revolution von 1789 vereint, sich mit dem Haka der Maori dem freundlichen Pfleger entgegenstemmt oder gemeinsam einen magischen Kleiderschrank aufbaut, welcher Pfleger und den in Alfred-Hitchcock-Manier zufällig über die Bühne spazierenden Regisseur verblüfft, offenbart sich die wichtige Botschaft: gemeinsam geht es besser, geht alles besser.


Ensemble - Foto © A. Köhring
 
Ein trotz allen „Mit-Leidens“ heiterer Clowns-Blick in phantasievollen Bildern auf das Unvermeidliche, das Altern, eine tragikomische musikalische Revue, die von den sichtbar ergriffenen Gästen mit etlichen Vorhängen gefeiert wurde. Chapeau! Bravi!
 
Weitere Informationen:  www.theater-an-der-ruhr.de  -  www.youtube.com/