Auf Pumpstation

von Hanns Dieter Hüsch

Hanns Dieter Hüsch -  © Paul Maaßen
Auf Pumpstation
 
Also, hab ich vorn paar Tagen zu mein Frau gesacht, genau das, was ich immer gesacht hab, ne.
Wat hast du dann immer schon gesacht, hat da mein Frau gefragt, ne, du hast ja schon viel immer schon gesacht, ne. Ja gut, hab ich gesacht, aber das jetzt, nich, dat hab ich schon immer vorausgesacht, ne. Gewissermaßen wie ein Amateurprophet hab ich das immer vorausgesacht, ne, daß auf Pump gelebt, daß das nich gutgehen kann auf die Dauer, ne.
Seit wann leben wir denn auf Pump, hat da mein Frau schon ein bissken entrüstet gefragt, da weiß ich ja gar nix von.
Wir doch nich, hab ich da gesacht, wir doch nich! Wir sin doch alte Schule, ne, wir zwei. Wir wollen doch immer genau wissen, wat uns gehört un wat uns nich gehört, ne. Un die, die nich so leben, sondern mehr so auf Stottern, ne, bei uns, ne, die brauchen sich auch noch kein Sorgen zu machen, weil der Helmut Kohl hat ja gesacht, daß wir von einer modernen Volkswirtschaft mehr verstehen als andere. Ja, un wenn der sowas sagt, dann könnwer eigentlich richtig satt un zufrieden sein. Satt un zufrieden könnwer dann sein, ne, hab ich gesacht. Wenn nich die Lieblingsworte der Nation plötzlich auf einmal zur Zeit „Rezession“ un „Depression“ wären, nich? Ja!
Ja warum dat dann, hat da mein Frau gesacht, muß dat denn sein? So schlimme Worte, wo der Kanzler so schön gesprochen hat? Ja, hab ich gesacht, dat muß jetzt wohl so sein. Depression un Rezession, ne, un niemand weiß, wo die Reise hingeht. Nix mehr is berechenbar, sogar bei de großen Unternehmer, ne, un die Brüder von de Banken, hohoho, die sin all tief beunruhigt, un die sin jetzt am Schimpfen, am Schimpfen, dat se von de Politiker belogen worden sin, ne, der Dollar wär nun doch unter 1,80 gegangen und so weiter und so weiter. Ja, unsereiner, hab ich da zu mein Frau gesacht, versteht das ja alles gar nich, als Laie, sagen wer mal so, unsereiner wird morgens wach, als Laie, ne, und weiß plötzlich, als Laie, daß die Mark nur noch 10 Pfennig weit ist, ne, als Laie, so is dat doch, ne.
Aber der Kohl, hat da mein Frau beruhigend gesacht, hat doch gesacht, daß wir von einer modernen Volkswirtschaft mehr verstehen als andere.
Aber, aber, hab ich da gesacht, zu mein Frau, nö, der muß doch Schönwetter machen, der Jung“, ne! Der muß doch Schönwetter machen un so tun, als ging uns das alles gar nix an. Keine Panik heiß et doch immer, ne. Un dann noch immer 2,1 Millionen Arbeitslose, ne. Nee, nee, hm, nee, un in Wirklichkeit, ne, Warten die Amis sehnsüchtig darauf, dat wir deren Wirtschaft ankurbeln, ne, un wir sagen denen immer, also wieder, im Gegenteil, bringt erst mal euren Haushalt in Ordnung, ne! Ne, denn die sind ja doch, die sind ja doch nicht nur bis über beide Ohren, die sind ja so verschuldet, hab ich zu mein Frau gesacht, dat die eigentlich schon gar nich mehr auf de Welt sin! Bildlich gesprochen, ne. Dat versteh ich alles nich, hat da mein Frau gesacht, ne, die sollen doch dat mächtigste un reichste Land der Erde sein!
Ja, Pustekuchen, sag ich, paß mal auf, dat is so, hab ich da gesagt. Wenn du sagen wer mal jetzt 1,2 Billionen Dollar Schulden hättest, hättest, ne, dann wärste doch auch nich mehr da, dann wärste doch auch nich mehr auf de Welt, ne. Un dat is jetzt quasi bei den Amis so gekommen, glaub ich wenigstens: Daß die Blütezeit, sacht man ja, die Blütezeit nicht auf, wie sagt man jetzt, also, akademisch, dynamische Leistungen basierte, sondern auf Pump, ja! Auf Pump von Milliarden un Abermilliarden, ne!
Un da ham die immer weiter gepumpt, immer weiter, ne, un da waren schon de Spekulanten da, ne, wie et so is in de Welt, ne, un haben gegen ganz hohe Zinsen, ne, den Amerikanern alles gegeben, wat die wollten. Was se wollten, bar auf die Hand.
Oder wie sagt man: Cash!, sagt man, glaub ich, Fremdwort, na, und so weiter. Und jetzt wurden durch de aufgeputschte Dollar, ne, wurd die amerikanische Ware so teuer auf den Dings, also auf den intenationa -, wie heißt dat da, auf den Weltmärkten, ne, daß keiner mehr bei denen kaufte, ne, is ja logisch! Ne. War zu teuer alles, ne. Ja, die mußten so teuer sein, sonst hätte se ihre Zinsen nich bezahlen können, ne. Und so kam dann eine Pleite nach der andern. Un privat haben sich die Amerikaner auch verschuldet, da hätt ich mich schon längst erschossen. Wat ich immer gesacht hab, ne, neulich noch zu Herrn Bringsen auf de Straß, nich, obwohl ich nix davon versteh: Drauflos gelebt, hab ich gesacht, macht auch nich glücklich auf de Dauer, ne. Ja, jetzt müssen wer halt gucken, ne, wat die Politiker draus machen, ne. Aber solange der Kanzler nich nervös wird, hat da mein Frau gesacht, und der Bangemann hat doch auch so schön gesagt, die deutsche Wirtschaft sei in einem sehr, sehr guten, also, in ner sehr, sehr guten Verfassung.
Ja, hab ich gesacht, gesagt schon, aber getan nix, ne. Sie wissen et nich, hab ich zu mein Frau gesacht, sie wissen et alle nich, ne. Un das ist jetzt schon sicher, daß die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr auf 2,3 Millionen ansteigt, ne. Also, wat hat denn dat mit den Amerikanern zu tun, hat da mein Frau gefragt. Ja, eigentlich nix, hab ich gesacht, aber wir liegen ja alle unter einer Decke, ne, hab ich zu mein Frau gesacht, un da muß sich jetzt jeder nach strecken! Wir auch, hat da mein Frau gefragt, wir zwei? Nee, hab ich gesacht, wir zwei, wir zahlen ja bar.
 
 
© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Das Foto stellte freundlicherweise Paul maaßen zur Verfügung.