Ein Dario Fo-Abend mit Peter Franke

von Frank Becker
Ein Dario Fo-Abend mit Peter Franke
im Teo Otto-Theater
 
Remscheid. Der Rahmen war intim. Nur rund 40 Zuschauer hatten am Samstagabend auf der Vorbühne des Teo Otto-Theaters Platz genommen, um sich von Peter Franke in die Welt des italienischen Autors und Nobelpreisträgers Dario Fo entführen zu lassen. Einen Tisch mit einem Glas und einer Flasche Theater-Rotwein, einen Stuhl und ein Lesepult – mehr braucht Franke nicht, denn er hat sich als alter ego Fos, dessen Texte und eine unbändige Spielfreude. Die allerdings braucht, wer sich angemessen mit den saftigen, deftigen, politischen, derb erotischen und sehr irdischen Prosa- und Bühnenstücken dieses Mannes auseinandersetzen will. In der Tradition der Gaukler, Spielleute und norditalienischen Geschichtenerzähler ist Fo nicht nur der Autor vieler burlesker Stücke und Parabeln, er ist Schauspieler, Clown, Harlekin und Improvisator seiner eigenen Werke, die er oft genug aus dem Stegreif und allein spielt. Das hat  Franke, der sich seit den 1970ern mit Dario Fo beschäftigt und ihn seit den 1980ern persönlich kennt, verinnerlicht.
 
So konnte sich ein überaus amüsiertes Publikum einem rundum gelungenen, prachtvollen Abend, an dem der Schauspieler in Zungen redete und passabel das „Torna a Surriento“ sang (ursprünglich wollte Franke ja Opernsänger werden) und in vielen Rollen brillierte, unbeschwert hingeben. Franke schöpfte lustvoll aus dem Vollen, als er in der Übersetzung von Peter O. Chotjewitz die erotische Geschichte vom „Flattermäuschen“ erzählte, in welcher der tumbe Ziegenhirte Giovanni vom geilen Pfaffen um das Recht der Hochzeitsnacht mit seiner Graziella, schön wie ein Maienmorgen, aber nicht mehr ganz so unschuldig, betrogen wird und schließlich ihr „Flattermäuschen“ doch noch zu fassen bekommt. Schon hier wurde Frankes Erzählkunst, wie danach in einer Fabel nach Lukian um Priapismus und Phalluskult, offenbar. Er lebt Fo, und seine Zuhörer genießen die saftige eindeutige Zweideutigkeit.
 
Mit Jesus geht Fo nicht weniger zimperlich um, als mit dessen hübscher Mutter Maria und den religiösen Gefühlen bigotter Katholiken. Doch stellt sich nach frech nacherzählter Lazarus-Story, in der Franke in allerlei Dialekten ohne Atem und mitreißend komisch über die Bretter kobolzt heraus, daß dieser Jesus eigentlich ein prima Typ ist und richtig gut aussieht. Das zeigt sich auch und besonders in Frankes erklärter Lieblingsgeschichte von der Hochzeit zu Kanaa (Joh. 2,11 ff.), dem ersten Wunder, das Jesus gewirkt hat, indem er Wasser zu sehr gutem Wein machte und damit die Feier rettete. Wir erleben ein köstliches Streitgespräch zwischen einem hehren Erzengel und einem von köstlichen Wein herzlich angesoffenen Gast, der den Engel eine „englische Wachtel“ nennt und zungenschnalzend weinselig ausruft: „Jesus, du bist göttlich!“ So kann außer Fo und Franke niemand biblische Geschichte erzählen.
 
Frank Becker, 14.12.03