Ein Feelgood-Movie - und doch nicht...

„The Lobster“ von Yorgos Lanthimos

von Renate Wagner

The Lobster
(Hummer sind auch nur Menschen)
 
(Frankreich/GB/Griechenland/Irland/Niederlande 2015)

Regie: Yorgos Lanthimos
Mit: Colin Farrell, Rachel Weisz, Léa Seydoux, Ben Whishaw, John C. Reilly u.a.
 
Positive Zukunftsvisionen sind so rar geworden, daß wir das Wort „Utopie“ eigentlich aus dem Sprachgebrauch streichen können. Die „Dystopie“ ist dagegen so angesagt, daß man – in der Literatur, im Kino – nur froh sein kann, die Welt von morgen nicht zu erleben. In „The Lobster“ hat sich der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos (in seinem ersten englischsprachigen Film) dazu wiederum etwas besonders Schräges, Seltsames ausgedacht. Da werden in der Zukunft die Menschen nicht nur politisch total vereinnahmt, sondern auch privat. Wer keinen Partner hat, muß um jeden Preis einen finden… oder er wird nach 45 Tagen, wenn er erfolglos war, in ein Tier verwandelt. Darauf muß man erst einmal kommen.
Kinobesucher sind geduldig, sie lassen sich in seltsame Welten führen. Diesmal ist es ein „Hotel“, in dem David zwecks Partnerinnen-Findung landet: Colin Farrell mit seinen großen traurigen Augen, hinter denen zweifellos Intelligenz lauert, ist der seltsame junge Mann, der sich nolens volens auf diesen Zwang einläßt, weil ihn seine Gattin verlassen hat und man nicht allein bleiben darf. Sollte er es nicht schaffen, eine neue Frau zu finden, möchte er – das muß man von vornherein angeben – ein Hummer werden. Gute Idee, Hunde gibt es schließlich genug, aber der langlebige Hummer, der sich mit seinen harten Scheren wehrt? (Was ihm, wie man David flüstert, letztlich nichts nützen wird, wirft man das Tier doch kurzerhand ins kochende Wasser…)
 
Seltsam, undurchdringlich, von keiner vernünftigen Logik aufzuklären, ist das, was sich im Hotel abspielt – nur Menschen sind Menschen, sie versuchen mit dem Unsagbaren zurecht zu kommen, David ebenso wie ein paar andere, die man in ihren Nöten kennen lernt und die geradezu mit Zwang in eine Partnerschaft kommen möchten. Höchst surreal, das Ganze, ein Verhaltenskabarett ohne Humor. Die herrschende Klasse ist scheinbar freundlich, aber gnadenlos: Diejenigen, die aus dem System in die Wälder geflüchtet sind, dürfen von den Hotelinsassen abgeknallt werden.
Wenn sie sich nicht, wie David, eines Tages lieber diesen „Guerillas“, den so genannten „Loners“, anschließen. Denn da ist auch eine kurzsichtige Frau (irgendwann wird sie blind sein), mit der sich eine seltsame Liebesgeschichte anbahnt: Nun, Rachel Weisz ist schließlich eine Persönlichkeit, die gefangen nimmt. Aber, bitte keine Hoffnung auf Erleichterung der quälenden Filmsituation zu hegen: So richtig gemütlich ist es bei diesen Leuten auch nicht. Und ein Happyend sieht man keinesfalls.
Das Ende des Films, dem der Regisseur absichtsvoll keinerlei Logik, aber viel fremdartige Stimmung verpaßt, hängt gänzlich in der Luft. Kunstkino, das schon in Cannes und sonst wo seine Preise abgeholt hat. Dann rechnet man wohl gar nicht damit, daß wirklich viele Leute das sehen wollen. Ganz ehrlich – man hat auch nicht wirklich viel von dieser Vision, die über die Probleme von Partnerschaft so wenig Faßbares sagt wie über Menschen…
Daß der Film u.a. vom „Feelgood“-Verleih herausgebracht wird, wirkt wie Hohn – nein, ein Feelgood-Movie ist das wirklich nicht, und die Komödie bzw. die Satire, als die es gepriesen wird, erkennt man auch nur schwer.
 
 
Renate Wagner