Die Düsseldorfer Galerie Hans Mayer zeigt:

Katharina Sieverding - Norad I - VI

von Christian Sabisch

  Katharina Sieverding - Foto © Christian Sabisch

Hans Mayer
zeigt
Katharina Sieverding
Norad I - VI
 
Eröffnung der Ausstellung am 25. Februar 2015
Dauer der Ausstellung 26. Februar bis April 2016
 
Die Galerie Hans Mayer zeigt den sechsteiligen Zyklus „Norad I - VI“ von Katharina Sieverding. Die Arbeit entstand 1980 und wurde damals in der Düsseldorfer Kunsthalle, also in unmittelbarer Nach­barschaft der Galerie Hans Mayer gezeigt. Ihre letzte Einzelpräsentation in einer Galerie der Landes­hauptstadt hatte die Künstlerin 1976; vierzig Jahre später würdigt also die Galerie Hans Mayer die Künstlerin in ihrer Heimatstadt.
            Ausgangspunkt des Zyklus war ein Bericht im „Spiegel“ über Pannen in der US-Atomwaffen­zentrale namens Norad. Den Artikel illustrierte ein schwarzweißes Foto vom Eingang der unterirdi­schen Kommandozentrale im Cheyenne Mountain im Bundesstaat Colorado: eine Tunneleinfahrt, beschaulich wie in den Alpen - ein einfahrender Jeep mit Fahrer erhellt die Größenverhältnisse. Die­ses Foto vergrößerte Katharina Sieverding auf etwa 4 mal 5,40 Meter und projizierte eine Frauenge­stalt darüber, die in ihren Umrissen einer Madonna gleich einen schützenden Mantel über die Szene breitet. Zwei Farben sind gestalterisches Element und Botschaft zugleich: aggressiv warnend Rot, sanft beruhigend Grün. Die Frauengestalt ist dem Film „Orpheus“ von Jean Cocteau entnommen, jener poetischen Verdichtung des antiken Mythos um Liebe, Vergänglichkeit, Mord und Treue.
            Die Farbgebung der anderen Arbeiten lebt ebenfalls vom starken Kontrast. Hinter violett gefärbten Gittern etwa ist das Halbprofil eines jungen Mannes zu sehen, der den Blick resignativ eher nach innen, denn nach unten richtet. Seine Gefängniszelle, Haare und Konturen sind wiederum grün getüncht - ein Todeskandidat, der in den USA seine Hinrichtung erwartet. Auch das dritte Motiv entstammt einer Vorlage: Ein Mann hockt über einer Frau am Strand, die halb im Sand ver­graben ist; nur Kopf, Schulter, Busen ragen in changierendem Blau hervor, während der Mann in Rottönung gehalten ist. Eine undurchsichtige, sexuell aufgeladene Situation.
            Alle drei Motive sind doppelt ausgeführt mit deutlichen Farbnuancen, unterschiedlich ver­gröbernden Projektionen oder gespiegelt. Kampf der Geschlechter, Gewalt gegen Menschen, atomare Bedrohung—„Norad I - VI“ sind Bilder latenter Kampfsituationen. Sie entstanden vor 36 Jahren, sind aber heute so aktuell wie damals. Im Gespräch weist Katharina Sieverding auf die Krisen unserer Tage hin, von Rußland über den Nahen Osten bis nach Asien.
            Ursprünglich nannte Katharina Sieverding den „Norad“-Zyklus „Abblende“. Der Begriff aus der Filmsprache war das Codewort für die höchste Alarmstufe im Berg von Colorado. Indem Kathari­na Sieverding den Namen der unterirdischen Militärstation aufgriff, löste sie die sechs Fotoarbeiten von einer realen Bildebene. Verfremdung als Mittel zur Verdeutlichung und zur Intensivierung. „Im übertragenen Sinne läßt sich mit Fotografie Helligkeit in ungeklärte Situationen bringen. Sie ist eine Kunst des Lichts“, hat Katharina Sieverding einmal gesagt und macht damit auch deutlich, warum sie die Bezeichnung Fotokünstlerin ablehnt. Fotografie ist für sie eine Denkprozess, Werkzeug für ihre Auseinandersetzung mit Themen unserer Zeit.
            Früher hingen die Arbeiten lose an Wänden und wellten sich, je nach Raumhöhe und Luft­feuchtigkeit, auf dem Boden oder an der Wand (gerollt waren sie für die zahlreichen Ausstellungen in Museen und Kunstvereinen leichter zu transportieren). Für die Präsentation in der Galerie Hans Mayer hat Katharina Sieverding die Unikate in kantige Rahmen gepackt, was die Montagen noch härter erscheinen läßt.
            Bevor die Künstlerin in den 60er Jahren zu Joseph Beuys an die Kunstakademie Düsseldorf kam, war die Bühne ihr Metier. So arbeitete sie etwa mit Fritz Kortner, der sie ans Burgtheater nach Wien holte, oder mit dem Bühnenbildner Teo Otto. Gutes Drama, schrieb der englische Dichter W.H. Auden, zeichne sich durch das Verhältnis zwischen Erwartung und der Konfrontation mit der Wirk­lichkeit aus. Insofern ist der „Norad“-Zyklus bestes Drama, festgehalten in Fotomontagen von beständiger Gültigkeit und hochaktuell.
           
Galerie Hans Mayer
Grabbeplatz 2
40213 Düsseldorf, Germany
www.galeriehansmayer.de